Farbexpert/inn/en trafen sich zwei Tage zu Farbkonferenz an der HAWK

Erscheinungsdatum: 16.10.2018

Gut besucht und erfolgreich: Rund 200 Besucher/innen aus Deutschland und den Nachbarländern fanden sich an der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim zur internationalen zweitägigen Konferenz „Farbe im Design - The Value of Color“ ein. Die Tagung, schon seit Wochen ausverkauft, wurde für Konferenzteilnehmer live gestreamt.

Aktuelle Fragen und Forschungsthemen der Farbgestaltung wurden in 29 Vorträgen und zwölf praktischen Workshops präsentiert und diskutiert. Prof. Timo Rieke hatte mit seinem Team an der HAWK Designer/innen, Wissenschaftler/innen, Handwerker/innen, Künstler/innen und Industrievertreter/innen gewinnen können, um disziplinübergreifend und kooperativ die Zukunftsthemen der Farbe zu debattieren.

 

„Der Mehrwert liegt darin, dass wir als Disziplin oftmals alleine dastehen – Farbe ist nicht so etabliert wie Produkt- oder Grafikdesign und immer noch ein Nischenthema“, sagte  Prof. Rieke. „Alle Menschen hier sind aus der Profession Farbe, man versteht sich hier. Die Tagung ist genauso ausgelegt, dass wir vom Handwerk über die Wissenschaft zum Design und zur Kunst alle Spielarten der Farbe abbilden.“

Begrüßt wurden die Teilnehmer/innen von Dr. Marc Hudy, dem Präsidenten der HAWK: „Solche Tagungen machen uns sichtbar“, betonte Hudy und hob den besonderen Charakter der Veranstaltung hervor: „Diese Tagung ist ganz typisch für unsere Hochschule: sie ist interdisziplinär - und das macht auch die Lehre und Forschung der Fakultät mit ihren verschiedenen Kompetenzfeldern aus.“ Solch ein Austausch auf Tagungen sei sehr wichtig für die Hochschule, zumal die Fakultät Gestaltung eine besondere Strahlkraft in die Fachwelt hinein und nach außen entwickle.

Prof. Timo Rieke zog am Ende ein sehr zufriedenes  Fazit: „Ich sehe heute viele strahlende Menschen und hoffe natürlich, dass sich auch der Standort Hildesheim in den Köpfen der Teilnehmer einprägt hat und wir die eine oder andere Kooperation auf die Beine gestellt haben.“

Mitveranstaltet wurde die Konferenz vom Deutschen Farbenzentrum mit Sitz an der Bergischen Universität Wuppertal.

Ausgewählte Interviews mit Referenten:
„Farben können den Stoffwechsel steuern“

Prof.  Dr. Axel  Buether lehrt Didaktik der Visuellen Kommunikation an der Universität Wuppertal und hat einen wissenschaftlichen Ansatz zur evidenzbasierten Farbgestaltung vorgestellt. Er ist zudem Vorsitzender des Deutschen Farbenzentrums.

Sie haben sich mit Farben und Licht in Krankenhäusern beschäftigt. Können Sie das näher beschreiben?

Wir haben in Zusammenarbeit mit den Helios-Kliniken in Wuppertal eine Studie in der Intensivmedizin durchgeführt zur Frage, wie Farbe und Licht auf das Wohlbefinden von Patient/inn/en wirken. Und dabei haben wir einerseits die Gestaltung übernommen, aber andererseits den medizinischen Bereich und den Pflegebereich mit einbezogen, um die Wirkungen langfristig auch zu evaluieren. Wir haben Umfragen und Interviews gemacht, haben aber auch so etwas wie den Schmerzmittelverbrauch oder den Krankenstand auf der Station evaluiert. So haben wir verschiedene Daten bekommen, um die Wirkungen von Farben zu messen.

Gibt es eine Farbe, die uns gesund macht?

Es ist natürlich nicht möglich, eine einzige Farbe als Farbe der Gesundheit zu bezeichnen. Wir versuchen, ein Verfahren zu entwickeln, bei dem wir Gestalter/innen nicht die Farben der Gesundheit an die Hand geben, sondern wir versuchen einen Weg für verschiedene Orte zu finden: Jede Klinik ist anders, es gibt viele verschiedene medizinische Bereiche. Wenn Sie eine Geburtsklinik haben, eine Intensivstation oder eine Kinder- und Jugendpsychiatrie, ist natürlich klar, dass sie da völlig andere Farben brauchen.

Es ist aber auch anders, ob es eine Klinik eher in Süddeutschland, in Bayern oder eine Klinik in Norddeutschland ist. Auch dort haben Menschen andere Farbpräferenzen und so kann es sein, dass die Farbe, die einige als heimatlich empfinden, die ihnen vielleicht gefällt, die sie runterbringt, wo sie lockerlassen können, in einem anderen Bereich vielleicht eher als fremd empfunden wird. Unser Anliegen ist, einen gemeinsamen Weg mit Menschen zu finden, die im Gesundheits- oder im Bildungsbereich arbeiten.

Wie können Farben die Genesung im Krankenhaus beeinflussen?

Farben haben sehr viel damit zu tun, wie Patient/inn/en sich fühlen. Da ist einerseits eine atmosphärische Komponente. Je nachdem, was man für eine Atmosphäre im Raum schafft, können wir uns entspannen oder sind aktiviert und das ist natürlich für Patient/inn/en wichtig. Dass sie zum Beispiel auf der Intensivstation wieder runter kommen, also Angst verlieren.

Aber sie dürfen auch nicht zu passiv werden. Wir müssen sie anregen, damit sie wieder zu sich kommen, damit der Körper gegen die Krankheit arbeitet. Und bei Farben ist die biologische Funktion interessant, weil wir sehr stark eine direkte Wirkung haben. Es gibt nicht nur atmosphärische Wirkungen, sondern Farben sind dazu da, unseren Stoffwechsel zu steuern. Sie können also tatsächlich unseren Blutdruck verändern. Sie können unseren Appetit steigern. Wichtig ist, dass ein/e Patient/in nach einer Operation wieder isst. Wenn Sie leckere Farben sehen, fährt der Blutzuckerspiegel runter und Sie haben Appetit. Wenn Sie gerade gegessen haben und jemand kommt mit einem leckeren Nachtisch an – sollten sie eigentlich nicht essen, wenn Sie satt sind. Aber was passiert? Ihr dummer Körper sieht die Farben und fährt den Blutzuckerspiegel runter. Insofern können wir aus der Biologie der Farben heraus, durch diese direkte Wirkung von Farben auf den Stoffwechsel – Blutdruck, Atmung, Blutzuckerspiegel und andere Dinge – sehr stark Einfluss nehmen.

Heißt das, Farben können umgekehrt auch beim Abnehmen helfen?

Wenn Sie abnehmen wollen, wäre es natürlich gut, eine Brille zu finden, mit denen die Farben richtig widerlich aussehen. Dann hätten Sie eine gute Chance. Es gibt wissenschaftlich belegte Beispiele aus der Literatur: Ein Mensch hat zum Beispiel das Farbensehen verloren und konnte nur noch Graustufen erkennen. Und der hat berichtet, wie es ihm erging. Er hatte keine Lust mehr, irgendwas zu essen. Er hatte keine Lust mehr auf Sex und ähnliche Dinge. Haut war für ihn widerlich gräulich. Das heißt diese emotionale Rötung, das wir wahrnehmen, dass jemand uns mag oder auf uns reagiert: Wenn das ausbleibt, dann sind wir tiefst beunruhigt.

 

Internationale Karrierestarter  

Thomas Granseuer, der zusammen mit Tomislav Topic (beide HAWK-Alumni) die Artistgruppe Quintessenz in Berlin/Hannover bildet, kreiert Murals sowie große Rauminstallationen.

Sie haben an der HAWK studiert und sind dann gleich in Ihr eigenes Business gestartet?

Der Weg an der Hochschule wo ich und Tomislav uns auch kennengelernt haben, hat 2003 begonnen. Tomislav hat ein Diplom als Farb-Designer und ich einen Bachelor in Grafikdesign gemacht. Meinen Master habe ich bei Barbara Kotte in Advertising Design abgeschlossen. Diese beiden Kompetenzen haben wir zusammengeführt. Die Subkultur Hip-Hop und die Graffiti- Bewegung haben uns im Grunde während des Studiums zusammengebracht und wir haben neben den Kursen freie Projekte an der Hochschule kreiert. Das hat sich gefestigt und ist im Grunde ein Abbild von dem, was man heute von Quintessenz sehen kann.

Sie haben Gestaltung studiert und sind nun als Künstler tätig. Wie sehen Sie persönlich das Verhältnis zwischen Kunst und Design? 

Wir sind angewandte Designer, arbeiten jetzt aber primär als Künstler. Wobei man sagen kann: Wir arbeiten als Künstler und Designer. Und ich denke auch, man sollte keinen Unterschied machen, ob der Künstler Designer ist oder der Designer Künstler. Ich denke, dass man sehr wohl beides sein sollte. Und dass das der richtige Weg ist, in der Branche und in der Kunstszene Fuß fassen zu können.

Sie starten gerade richtig durch. Morgen geht es für Sie für ein Projekt nach Shanghai. Was bedeutet das für Sie?

Für uns ist es nach zehn Jahren freiem Arbeiten interessant zu sehen, was gerade passiert, dass wir weltweit Anfragen bekommen. Wir haben jetzt dieses Projekt in Griechenland auf der Insel Paxos. Diese letzte Installation ging über etliche große Art-Blogs. Seitdem haben wir internationale Anfragen aus Teheran, Paris, Miami. Wir sind jetzt in Shanghai. Und wir werden die Welt erkunden dürfen, was sehr schön ist. Und natürlich ist es auch schön für uns, einen Teil dort zu hinterlassen.

 

„Trends sind nichts anderes als die Überdrusshaltung zu bestehenden Trends“

Prof. em. Axel Venn, Farbforscher und ehemaliger HAWK-Professor für Farbgestaltung, Trend-Scouting und Wahrnehmungswissenschaften leitete den Workshop „Marketing mit Farben“

Wie erkennt man, welche Farben im nächsten Jahr im Trend sind?

Wie entdecken wir Trends? Warum halten wir sie für wichtig? Und was passiert damit? Wie erkennen wir das? Sehr einfach: Man muss sich um Trends kümmern. Man muss täglich, jahrelang Erfahrungen mit Trends haben. Das Wesentliche ist: Wer oder welche Gruppe macht es? Es sind zum Teil Untergrund-Töne, es sind Menschen auch abseits der Gesellschaft. Die Tätowierer/innen zum Beispiel sind ein ganz wichtiger Trendfaktor. Heute gibt es eigentlich keine unbemalte Schulter, Hintern oder Busen mehr. Das sind Trends. Das sind Undergroundszenerien, die eigentlich immer die Ersten und die die eigentlichen Trendentwerfer sind. Die Anderen sind die netten freundlichen Nachahmer/innen, die das Ganze kommerzialisieren.

Man hat das Gefühl, das jede Farbe irgendwann wieder in Mode kommt. Stimmt das?

Dass Farben wiederkehren, damit haben Sie Recht. Es lassen sich übrigens heute nur Trends formulieren, indem man sie zitiert. Sie kriegen dann einen etwas anderen Unterbau und Umbau. Mal sind sie glänzender, mal matter, mal bekommen sie einen orientalischen oder exotischen Namen. Mal kommen sie von der iberischen Halbinsel, mal aus Frankreich, mal aus England, mal aus den USA.

Man kann immer nur Trends formulieren, die Menschen mit einer Reminiszenz verbinden. Ich glaube das ist sehr wesentlich.

Oft hört man von einer „Farbe des Jahres“. Wie kommt man darauf?

Ich weiß, es gibt einige Unternehmen, die benennen eine Farbe des Jahres – das ist natürlich purer Unsinn. Es gibt keine Farbe des Jahres. Trends sind nichts anderes als die Überdrusshaltung zu bestehenden Trends. Das ist der wahre Grund von Trends. Trends müssen neu sein, innovativ, möglichst verrückt und mit einer Farbe kann man das nicht bewerkstelligen. Es ist unsinnig und es stimmt auch nie – und gerade dann, wenn man sie weltweit als eine solche nominiert. Farbe ist nicht Gegenstand eines Schönheitswettbewerbs, sondern eines sehr intensiven und wichtigen Geschäfts.

 

Achtzigertrend im Filmlook

Lutz Forster ist Digital Colorist, er bearbeitet digital gedrehtes Filmmaterial nach. Forster lebt und arbeitet in Berlin. Für die Tagung hielt er einen Schnipselvortrag zum Thema „Farbe im Film“.

Sie hatten gesagt, man habe das Gefühl, dass Filme tendenziell immer dunkler werden. Woran liegt das?

Dass die Filme momentan dunkler werden, trifft ein bisschen den Zeitgeist. Es wird alles gerade ein bisschen moody, also düsterer, es soll auch alles sehr filmisch aussehen. Man bewegt sich viel stärker wieder zum Analogen. Das liegt wohl auch daran, dass die Absatzzahlen von Analogfilmen wieder gestiegen sind, dass Kodak auch wieder Filme ins Programm aufgenommen hat. Und die sind meistens ein bisschen dunkler.

Sie bearbeiten auch viele Werbefilme. Welche Bedeutung hat dabei Farbe?

Farbe im Film und im Werbefilm ist im Grunde genommen ganz wichtig für das Produkt. Das muss rauspoppen, das wird verstärkt. Da wird dann die Chrominanz, also die Farbigkeit, richtig angeschlagen, so dass die Zahnpastatube ganz knackig aussieht.

Alle anderen Farben sind eher gedeckt, zurückhaltend, sodass wirklich nur das Wesentliche im Vordergrund steht. Aber: Einige Werbespots werden auch immer filmischer. Und gerade da kommt auch ein bisschen dieses „moodige“ her. Bei Auto-Herstellern sieht man das. Zum Beispiel die letzte Mercedes-Kampagne war sehr, sehr dunkel, aber auch sehr farbenfroh – orange, blau oder verspielt.

Welche Trends gibt es im Filmbereich in Bezug auf Farbe?

Nachdem 4K, also sehr hohe Bildauflösung, sich nicht durchgesetzt hat, wird der nächste Trend HDR – das ist High Dynamic Range, also sehr hoher Dynamikumfang. Definitiv geht da die Reise hin: eine höhere dynamische Range in der Luminanz und der Darstellung der Sättigung.

Damit kann man in Glühlampen auch wieder Farbe drin haben anstatt nur Weiß. In den Hotspots kriegt man auch Informationen rein, in den Tiefen Silhouetten. Was generell die Looks betrifft, gehen wir verstärkt wieder auf die Neon-80er-New-Retro-Wave-Schiene. Es ist gerade sehr hip, viel mit fluoreszierendem, foliertem Licht zu arbeiten. Anfang dieses Jahres wurde gesagt: Magenta und Violett sind die Töne des Jahres 2018. Das spiegelt sich jetzt gerade so langsam in einigen Sachen wieder.

Und ein anderer Trend, der jetzt kommt: Es wird wieder kontrastreicher. Das Bild wird nicht mehr so flach und eher farbenfroh. Natürlichkeit kommt auch wieder. Einfach natürliche, saubere Farben, aufgeräumt. Eher ein filmischer, analoger Look mit schönen Kontrasten und ein bisschen blau in den Tiefen. Das ist so der Trend, der sich bisher immer gut durchgezogen hat und auch weiterhin halten wird.