Drei Studentinnen entwickeln ein Spiel zur Sensibilisierung für Ängste

Erscheinungsdatum: 13.07.2021

Es ist mitten in der Nacht – der Weg führt nach Hause – unbeleuchtet. Am Handy ist der Live-Standort geteilt, der Schlüssel steckt zwischen den Fingern. Wer kennt sie nicht – die Angst in der Dunkelheit. Sie entwickelt sich aus der kindlichen Furcht vor dem Monster unter dem Bett bis zum Erwachsenenalter zur Angst vor der Unberechenbarkeit anderer Menschen. Drei Studentinnen im HAWK-Masterstudiengang Gestaltung möchten die Gesellschaft für diese Angst sensibilisieren – mit einem Spiel.

Angst durch das Unberechenbare

„Sag‘ Bescheid, wenn du zu Hause bist.“ Diese Frage kennen alle. Einigen wird sie gestellt, andere stellen sie selbst und manche befinden sich mal auf der einen, mal auf der anderen Seite. Meistens ergibt sie sich, wenn jemand Im Dunkeln alleine unterwegs ist oder eben nach Hause geht. Je nach Tageszeit und Umgebung fühlt sich so ein Weg unterschiedlich sicher an. Denn: Sicherheit ist ein Gefühl und Gefühle lassen sich schwierig in Zahlen messen und darstellen. „Ist das Gefühl von Sicherheit etwas Erlernbares?“, fragten sich also die Masterstudentinnen Alicja Boß, Elena Plinke und Kristina Wiegand. Sie näherten sich unter Social Design-Kriterien dem Aspekt des lebenslangen Lernens an, denn: „Lebenslanges Lernen treibt ein nachhaltiges, generationsübergreifendes Umdenken in der Gesellschaft an und beginnt mit einer Selbsterfahrung, die durch ständige Reflexion immer im Wandel ist“, erläutert das Trio.

 

Unter dem Projekttitel „Lebenslanges Lernen“ begaben sich die drei Studentinnen auf die Suche nach Wissenslücken und Unsicherheiten, die viele Menschen bis ins erwachsene Alter begleiten. Sie stellten fest: Die Angst im Dunkeln ist eine der elementarsten. Vor allem besteht die Furcht vor anderen Menschen – durch ihre Unberechenbarkeit. In Gesprächen erfuhr das Trio von Ängsten vor Verfolgung, körperlicher Gewalt und anderen Gefahren. Interessant ist dabei, dass ein Ungleichgewicht zwischen der Angst auf nächtlichen Heimwegen und der tatsächlichen Gefahr herrscht, die statistisch in den eigenen vier Wänden am größten ist. Wie kommt es also zu dieser gefühlten Gefahr? Einer der Gründe dafür liegt im sozialen Miteinander, das darüber entscheidet, ob wir Angst haben.

Für sicherere Heimwege ist ein sensibles Verhalten der Beteiligten also maßgeblich und lässt sich zudem lernen. Es bereitet Frauen Angst, wenn sie das Gefühl haben, verfolgt zu werden, wenn ihnen hinterher gepfiffen wird oder wenn Männer anzügliche Bemerkungen äußern. Die Liste ist lang. Daraus entwickelten die drei Studentinnen Ziele, die Fähigkeit zur Empathie und das Verständnis für andere Perspektiven langfristig zu schulen. Damit Kinder von morgen eine Sensibilität entwickeln, müssen die Erwachsenen von heute eine Vermittlerrolle einnehmen, um diesen Wandel anzustoßen. Durch spielerisches Lernen sollen bewusst andere Sichtweisen in den Fokus rücken und durch Witz und Teamwork erlebbar werden.

Rollenspiele erweitern das Vorstellungsvermögen

Das Spiel ESWASO soll die Empathie schulen, Sensibilisierung schaffen sowie generationsübergreifendes Lernen und Lehren fördern. Es geht darum, einen Lernprozess anzustoßen, der sich als Wissen an kommende Generationen weitergeben lässt und somit den gesellschaftlichen Bewusstseinswandel anstößt. ESWASO behandelt das Willkürliche und Unvorhersehbare des Lebens. Charaktere werden zu Zufallsbekanntschaften, für die die Spielenden den Rahmen einer Begegnung schaffen. Das kurze Rollenspiele soll das Vorstellungsvermögen für fremde Perspektiven erweitern.

 

Eine Runde beginnt ähnlich wie bei einem Memory damit, dass Spielerinnen und Spieler zunächst zwei Charakterkarten aufdecken. Die Charakterpaare entstehen willkürlich und sind nicht vorgegeben. Es kann also jede Kombination ein Pärchen bilden. Eine Begegnung entsteht, indem die Spielenden zusätzlich ein Setting ziehen. Doch was ist jetzt eigentlich passiert? Das herauszufinden, ist Aufgabe der Spielerinnen und Spieler, sodass durch Kreativität und Empathie für die Rolle des Gegenübers Verbindungen entstehen. Die Spielerinnen und Spieler schicken ihre Charaktere im Grunde auf ein Blind Date und schaffen so den Rahmen für eine Begegnung beginnend mit den Worten: „Also, es war so ..."

Ziel des Spiels ist ein Umdenken, das erlebten Ängsten auf dem nächtlichen Heimweg entgegenwirkt und gleichzeitig reale Gefahr im Blick behält. Dabei dient Design als Plattform für Gespräche und gegenseitiges Lernen. Das Spiel ESWASO lässt diesen Diskurs spielerisch stattfinden. Einsichten in verschiedene Perspektiven und Absichten sollen dabei helfen, Angst und Gefahr in ein Verhältnis zu setzten, um langfristig dafür zu sorgen, dass Menschen nachts auf ihren Heimwegen, unabhängig von ihrer Identität, sicher und frei sind. Auch in Zukunft wird das Team an der Gestaltung von ESWASO arbeiten, um den Umgang mit Ängsten zu vermitteln. Derzeit suchen die drei Studentinnen mögliche Kooperationen, die ein Interesse an diesem Spiel haben und helfen möchten, weitere Perspektiven miteinzubeziehen und das Spiel umzusetzen.

Entstanden ist das Spiel im Rahmen des Social Design-Kurses im Masterstudiengang Gestaltung unter Leitung von Prof. Dr. Sabine Foraita und Prof. Stefan Wölwer.

Kontakt

Prof. Dr. Sabine Foraita
Designwissenschaft, Dekanin Fakultät Gestaltung