Erscheinungsdatum: 25.03.2008

<P>Das Geburtstagsgeschenk kam gleich zu Anfang, in der Begrüßungsrede des Präsidenten der HAWK</P>

Das Geburtstagsgeschenk kam gleich zu Anfang, in der Begrüßungsrede des Präsidenten der HAWK, Prof. Dr. Martin Thren: Die HAWK baue umgehend ihren Fachbereich Konservierung und Restaurierung zur „Fakultät Erhaltung von Kulturgut“ aus, zwei Professoren wären bereits neu in die Fakultät gewechselt: Ab Wintersemester 2008/2009 sei die Einrichtung der drei zusätzlichen Kompetenzfelder Museologie, Denkmalkunde und -erhaltung sowie Bau- und Siedlungsarchäologie mit neuen ProfessorInnenstellen geplant. Auch böte die neue Fakultät dann zusätzlich den Master-Studiengang Baudenkmalpflege an. Schließlich solle die neue Fakultät im Rahmen des neuen Hochschulcampus eine Infrastruktur erhalten, die „ihren Anforderungen angemessen ist“.

Die Überraschung der rund 220 Festgäste, die aus dem gesamten Bundesgebiet angereist waren und sich zu den Feierlichkeiten im Neubau des Roemer-Pelizaeus-Museum versammelt hatten, war groß, denn einer derartigen Unterstützung durch das Hochschul-Präsidium erfreut sich zur Zeit wohl keine der anderen akademischen Restauratorenausbildung in Deutschland.

Was die Erweiterung zur Fakultät konkret bedeutet, erläuterte anschließend der Dekan der neuen Fakultät, Prof. Dr. Michael von der Goltz: „Die neue Fakultät Erhaltung von Kulturgut ist die erste dieser Art im deutschsprachigen Raum. Es zeigt die große Unterstützung die wir seitens der Hochschule genießen. Gleichzeitig soll es ein Zeichen für die Bedeutung der Konservierung und Denkmalpflege im Land sein. In der neuen Fakultät wird es zukünftig möglich sein, Berufssparten, die im weiteren Berufsleben eng mit einander zu tun haben, bereits im Studium in engen Kontakt treten zu lassen.“ Mit dem Kolloquium selbst wolle man nach vorne blicken und auf das Neue fokussieren, was die Hildesheimer Hochschulausbildung u.a. präge, nämlich auf den neuen Bachelor-Studiengang Präventive Konservierung. Denn in Hildesheim nehme man das Tagungsmotto „restauriert wird später“ wörtlich, Restaurierung würde nämlich erst im Masterstudiengang Konservierung und Restaurierung gelehrt.

Anschließen beleuchteten vier externe Festredner das Tagungsthema:

Mark McLean vom National Trust for Scotland (NTS) berichtete vom Herrenhaus Newhailes unweit Edingburghs, das 1686 vom Scottische Architekten James Smith erbaut wurde, später Erweiterungen erfuhr und heute von einer im 18. Jahrhundert angelegten Landschaft umgeben ist. Im Haus hat sich viel der originalen Inneneinrichtungen erhalten, so dass man Newhailes heute zu den wichtigsten Rokoko Häusern Schottlands zählt. Lady Antonia Dalrymple habe das Anwesen 1997 an den NTS übergeben.
Das Konzept des National Trust for Scotland bei diesem Haus sei es, zu konservieren und nicht zu restaurieren, also so weit wie möglich in dem Zustand halte, in dem das Schloss in seinen Besitz gekommen wäre. Möglichst viel sei am Platz belassen worden, auch im schlechtem Zustand, und nur bei einem wirklich gefährlichen bzw. gefährdeten Bestand würde man eingreifen. Das bedeute z.B. für ein Treppengitter, dass der historisch überlieferte Teil mit seiner nachträglichen Bemalung belassen wurde und der erneuerte Teil unbemalt bliebe und deshalb deutlich erkennbar sei. Bei den Stuckdecken sei nur der Staub entfernt worden, auf Ergänzungen hätte man verzichtet. Das Konzept würde so konsequent durchgeführt, dass selbst eine neuzeitliche Katzenklappe in einer Tür des 18. Jahrhunderts belassen würde.
Rund 20% der Besucher seien darüber entsetzt, viele könnten aber in Gesprächen von dem Konzept überzeugt werden, so dass letztlich 90% der Besucher das Haus positiv gestimmt verließen. McLean selbst ist maßgeblich für diese Vermittlungsarbeit verantwortlich.

Im Internet gibt es einen Film zu diesem Gebäude.
Anschließend erläuterte der Kunsthistoriker Johann Barner, Urenkel des Gründers und Geschäftsführer vom Sanatorium Dr. Barner
in Braunlage im Harz, die präventiven Konservierungsmaßnahmen in dem immer noch zu medizinischen Zwecken genutzten Sanatorium. Begonnen hat die Geschichte des Sanatoriums mit dem Kauf einer historistischen Villa, in denen der Sanitätsrat Dr. Friedrich Barner im Jahr 1900 seine Privatklinik eröffnete. Von besonderer kulturhistorischer Bedeutung
ist das zwischen 1912 und 1914 entstandene repräsentative Mittelhaus als eines der bedeutendsten Zeugnisse des späten deutschen Jugendstils. Der Architekt war Albin Müller, der spätere Leiter der weltbekannten Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt. Sowohl von dem Gebäude wie auch von seiner Einrichtung, u. a. Linoleumböden, Möbel, die Wand-Täfer, Wandbespannungen, Tapeten, Leuchten, sind bis heute außerordentlich viele Teile original erhalten geblieben, allein 40 Zimmer mit originaler Jugendstil Ausstattung.
Barner unterschied das methodische Vorgehen in drei Schritte:
Der erste Schritt, vorwiegend geprägt von Maßnahmen der HAWK, sei die Inventarisation der Einrichtung gewesen. Außerdem hätte man viele Möbel mit Hilfe der Hildesheimer Studierenden und Professoren präventiv konservieren können oder mit geringfügigen Maßnahmen in den ursprünglichen Zustand zurückgeführt.
Ein zweite Stufe wäre die Anfertigung von Objekten nach alten Vorlagen gewesen, u.a. vieler Tapeten, Teppiche oder Bezügen von Polstermöbeln. Der Linkrusta sei von einem, Restaurator neu geschaffen worden. Schließlich hätte man, um den medizinischen Betrieb aufrecht zu erhalten und die Akzeptanz der Gäste nicht zu verlieren, Verschleißteile ersetzen müssen, z.B. sei ein ursprünglich in Wolle gefertigter Teppich in einer strapazierfähigen Kunstfaser neu hergestellt worden. Zur zukünftigen Pflege hätte eine Restauratorenfirma ein Pflegekonzept erarbeitet.
Für ihr enormes, über vier Generationen lang andauerndes Engagement für die Erhaltung des Sanatorium nach denkmalpflegerischen Kriterien erhielt die Familie Barmen 2007 den Landespreis für Denkmalpflege der Niedersächsischen Sparkassenstiftung .


York Rieffel vom Landesdenkmalamt Berlin sprach zur Einführung eines exemplarischen Wartungskonzeptes am Beispiel der Standbilder „Unter den Linden“ in Berlin, einer eine zentrale Verkehrsachse in der historischen Mitte von Berlin.
Leider hätte in Deutschland die präventive Konservierung bislang nur im Museum, aber nicht in der Denkmalpflege Einzug gehalten. Eine professionelle bundesweite Einrichtung wie die Monumentenwacht in den Niederlanden gäbe es nicht, allerdings auf EU-Ebene eine Initiative, bei der UNESCO einen ständigen Sitz für präventive Konservierung einzurichten.
Das Pflege- und Wartungskonzept für die Standbilder auf der Berliner Prachtstraße „Unter den Linden“ umfasst 25 Figuren und ist 2003 von Tina Dömling in hericare dokumentiert worden. Für das an den Skulpturen vorhandene Schadensbild sind in erster Linie unsachgemäße Restaurierungen und Vandalismus verantwortlich zu machen. Präventive Schutzmaßnahmen wie eine Umzäunung oder regelmäßige Wintereinhausungen sind leider nicht die Regel.
Die Einführung eines Wartungskonzeptes ist nicht nur substanzschonend, sondern auch sehr ökonomisch, da jährlich nur ein Bruchteil der Ausgaben, für die in immer kürzeren Intervallen erforderlichen Restaurierungen anfallen. Zur Zeit laufe ein Forschungsprojekt , finanziert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, mit dem man erstmalig eine innovative Einhausung für die Brückenfiguren der Schlossbrücke entwickelt: Dort stehen auf Postamenten acht Figurengruppen aus Carraramarmor, die in der Zeit von 1847-57 von Berliner Bildhauern aus der Schule Rauchs ausgeführt wurden.
Prinzipiell sei das geplante Wartungskonzept bei allen Verantwortlichen akzeptiert; das Problem der Realisierung bestünde eher auf administrativer Ebene wegen verschiedener Eigentümer, Zuständigkeiten und der unsicheren Haushaltslage der Stadt Berlin.
Weiter Informationen finden Sie in der Master-Arbeit des Redners, die Sie hier down-loaden können.


Der Vormittag endete mit einem Vortrag von Poul Klenz Larsen aus dem Nationalmuseum in Kopenhagen Lagerung von Kunst- und Kulturgut. Sie müsse natürlich klimagerecht sein, aber auch möglichst energiesparend. Als Anti-Beispiel zeigte er u.a. Bilder von der Präsentation eines archäologischen Schiffes in einem Luftkissen-Zelt, die sich aus mehreren Gründen als problematisch erwies: Zum einen hätte das Luftkissen nicht völlig abgedichtet werden können, zum anderen sei der Energiebedarf für ein derartiges Luftkissen sehr hoch. Zu guter Letzt sei auch noch der Strom mehrere Stunden ausgefallen. Als weiteres negatives Beispiel zeigte er die Einrichtung eines Depots in einem gewölbten Flugzeughangar aus Beton. Außerdem wies er darauf hin, dass oftmals auch heute noch bei neuen Museumsbauten Grundlagen der präventiven Konservierung missachtet würde und man stattdessen dem künstlerischen Aspekt des Architekturentwurfs einen enormen Stellenwert einräumen würde. Als Beispiel nannte Larsen das Guggenheim Museum in Bilbao das ab 1993 nach einem von Frank O. Gehry entworfenen Plan gebaut wurde. Im Bau sei viel Stahl, Stein und Titan verbaut worden, aber die Metallhülle wirke sich sehr schlecht auf das Klima aus.

Nach diesem vielschichtigen Einstieg in die Thematik durch externe Experten stellten am Nachmittag die ersten deutschen AbsolventInnen des Hildesheimer Bachelor-Studiengangs die Ergebnisse ihrer Abschlussarbeiten in drei parallelen Wokshops vor. Die vorgestellten Bachelor-Themen offenbarten, wie weitreichend das Gebiet der Präventiven Konservierung sein kann. So ging es u.a. um Schutzschlämme, Außenanstriche, die Bewahrung verschiedener Objekt- und Materialgruppen, wie Papyri, Wachssiegel und Zeichnungen, Denkmalmanagement-Software, Depotkonzepte, Notfallpläne, Umfeldanalysen, Präventionsmaßnahmen gegen Schadinsekten, Hüllmaterialien und Gemäldeklapprahmen, elektrostatische Aufladung, um Wasser und Staub.
Spannend waren aber nicht allein die Themen, sondern auch die Lebensläufe der Studierenden, die oftmals berufliche Erfahrungen aus dem Ausland mit einschließen und vielfach die Themen für ihre Abschlussarbeiten aus dem beruflichen Alltag mitbringen. Deshalb erstaunte es auch nicht, dass das Interesse der Zuhörerschaft an den Vorträgen sehr groß war, engagiert diskutiert und die Publikation der Ergebnisse erbeten wurde.
Anschließend fassten die ModeratorInnen der Workshops die Arbeiten für das Publikum kurz zusammen.

Ein kurzweilger Festvortrag von Dr. Katja Lembke, Direktorin des Roemer-Pelizeaus Museums und damit Hausherrin der Veranstaltung, rundete das Hildesheimer Festkolloquium ab. Sie unterstrich die Bedeutung der Kooperation, die seit einigen Jahren immer intensiver wird. Vor allem Prof. Dr. Gerdi Maierbacher-Legl arbeitet mit ihren Studierenden der Studienrichtung Möbel und Holzobjekte bereits einige Projektwochen im Depot des Roemer- und Pelizaeus Museum gearbeitet. Hier dürfen die Studierenden Stücke der Ozeaniensammlung auspacken, die seit über 150 Jahre nicht mehr ausgepackt wurden. Aber die Kooperation soll sich nicht allein auf die sehr verschiedenen Sammlungen beziehen, sondern auch auf das eigenen Forschungsprojekt von Katja Lembke, einer Ausgrabung in Ägypten..

Die Zusammenfassungen aller Abschlussarbeiten und damit auch aller Vorträge der AbsolventInnen finden Sie unter:

Hornemann Institut - Publication

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Der Musiksaal im Sanatorium - Krankenhaus Dr. Barner Braunlage - Harz Der Musiksaal  im Sanatorium - Krankenhaus Dr. Barner Braunlage - Harz