Team aus drei Fakultäten beteiligt sich an "Formula Student Germany"

Erscheinungsdatum: 09.04.2015

Das Fahrzeug auf dem HAWK-Parkplatz am Campus Weinberg sieht hochwertig und richtig professionell aus: Radaufhängung, Monocoque (Fahrgestell), Reifen und auch die Werbeaufkleber auf dem Kohlefasergehäuse lassen das Gefährt wie die kleine Ausgabe eines großen Formel-1-Flitzers erscheinen. Es stammt aus der Westsächsischen Hochschule in Zwickau, einige Studierende haben es für Demonstrationszwecke nach Hildesheim gebracht.

Ein Team aus den HAWK-Fakultäten Gestaltung, Naturwissenschaften und Technik sowie Ressourcenmanagement will einen eigenen Elektrowagen bauen und wie die Zwickauer damit beim internationalen Engineering-Design-Wettbewerb „Formula Student“ teilnehmen.

 

Zwickauer zeigen ihr Fahrzeug
Die Zwickauer zeigen nun, was in ihrem Mobil steckt. Am Rand der abgesperrten kleinen Rundstrecke gibt es sogar Bratwürstchen für die Zuschauer/inne/n. Der Höhepunkt des Nachmittags ist eine kurze Fahrdemonstration, bei der das Auto extrem schnell beschleunigt, wieder abbremst und auch enge Kurven souverän meistert. Rund 115 PS stark ist die Maschine, die unter der Haube sitzt. Sie beschleunigt in etwa so schnell wie ein Le-Mons-Prototypen-Rennfahrzeug, kommt innerhalb von drei Sekunden von null auf hundert Stundenkilometer. Eine Art Pfeifton ist zu hören, denn das Auto wird mit einem Elektromotor angetrieben.

Formula Student in Silverstone
Viele HAWK-Studierende verfolgen das kreisende Elektrofahrzeug gespannt und interessiert, denn sie starten jetzt selbst mit ihrer Konstruktion. Erstes Etappenziel wird Formula Student UK in Silverstone Anfang August 2015 mit einem ersten Prototyp sein. Das fertige Elektrofahrzeug wird dann erstmals in Varano de' Melegari bei Parma (Italien) gefahren, vom 11. bis 14. September 2015.

Summe aus Einzelbewertungen zählt
Bei Formula Student geht es am Ende nicht nur darum, wer als erster und schnellster über die Ziellinie fährt, es steckt viel mehr dahinter: Die Gesamtsieger werden aus der Summe vieler Einzelbewertungen gekürt. In zwei getrennten Wettbewerben treten Autos mit Verbrennungsmotoren und solche mit Elektroantrieb gegeneinander an. Auf der Teststrecke müssen sich die studentischen Konstruktionen einer Jury mit Fachleuten aus Industrie und Wirtschaft stellen: Hierbei kommen Eigenschaften wie Fahrdynamik, Handling und Kraftstoff- / Energieverbrauch zum Tragen. Des Weiteren werden die Belastungseigenschaften der Fahrzeuge wie Autocross (Parcoursfahren), Skid-Pad (Kreisfahren in einer Acht), Beschleunigungsvermögen und Zuverlässigkeit getestet. Bevor es ein Fahrzeug dahin schafft, muss es nach klaren, ingenieurwissenschaftlich festgelegten Regeln alle Vorgaben und Sicherheitsbedingungen erfüllen.

Businessplan und Design
Aber auch die Planung und mögliche Vermarktung spielen eine Rolle, wie Kosten und Kalkulation, ein tragfähiger Businessplan und auch das Design. Die Konstruktions- sowie Reisekosten müssen die Studierenden zusätzlich durch Sponsoring einwerben. Ziel dieses Teilwettbewerbes ist es, in der Elektrosparte innovative Lösungsansätze im Bereich der E-Mobilität zu erarbeiten und diese von Jahr zu Jahr weiterzuentwickeln.

Studentische Leitung
Die Leitung des HAWK- Projektteams übernimmt selbst ein Student: Thorsten Rinke ist Masterstudent an der Fakultät Naturwissenschaften und Technik in Göttingen. „Da liegt noch eine Menge Arbeit vor uns“, sagt Rinke, der bereits Erfahrung mit Projekten dieser Größenordnung hat. „Es ist neben der Begeisterung bei den Beteiligten auch ein Teil Ehrfurcht zu spüren“, sagt er, der die bisherige Zusammenarbeit zwischen den Fakultäten als sehr positiv ansieht und zuversichtlich an das Großprojekt herangeht: „Mein Bauchgefühl ist richtig gut, wenn ich hier in die motivierten Gesichter meiner Mitstreiter/innen schaue. Ich hoffe, dass wir den Drive von heute auch mitnehmen können für die nächsten Wochen, in denen ein paar wichtige Termine für das Projekt anstehen.“

In Göttingen wird das Fahrzeug in einer Werkstatt bei der Fakultät Naturwissenschaften und Technik gebaut, die Studierenden der Fakultäten Ressourcenmanagement und Gestaltung arbeiten in anderen Teilprojekten mit.

Weitere Unterstützung
Unterstützt mit Know-how und auch weiterführenden Bildungsangeboten wird das Formula-Student-Team von weiteren HAWK-Institutionen und Lehrenden: Prof. Dr.-Ing. Peter Reinke, seit Oktober 2014 Professor für Fluidtechnik an der Fakultät Naturwissenschaften und Technik in Göttingen, hatte die Idee aus Zwickau mitgebracht, wo er früher gelehrt hat und schon reichlich Erfahrung auf dem Gebiet sammeln konnte.

Faculty Adviser mit Erfahrung
Als so genannter Faculty Adviser berät Reinke die Studierenden bei der Konstruktion, steht ihnen vor allem mit Rat bei Bedarf zur Seite. Er kann schon auf neun Zwickauer Fahrzeuge zurückblicken, bei denen er mitgewirkt hat, das zehnte entsteht nun für ihn an der HAWK und er ist optimistisch, dass dies auch wieder gelingen wird. „Das Team arbeitet wie eine fiktive Firma, mit Produktion, Marketing und Finanzierung - ein Projekt, was dem Ablauf des täglichen Berufsalltags entspricht“, sagt er. „Das Faszinierende für mich ist das ‚Brennen‘ der Studierenden zu erleben, wenn sie das Projekt angehen und sie zu diesen Wettbewerben zu bringen. Am Schönsten ist, wenn man am Ende des Tages zusammen mit den Studierenden am Erfolg des Projektes teilhaben kann.“

Und die Erfahrungen, die die Studierenden im Bereich elektrische Antriebe, Fahrdynamik und Energieeffizienz sammeln können, findet Reinke besonders spannend und aktuell : „Sie können nicht nur nachvollziehen, was große Firmen machen, sondern vielleicht auch etwas Eigenes erproben, testen und an der vordersten Front der technischen Entwicklung teilhaben.“

Ausgründungen von Studierenden mit eigenen Firmen, die in dem Formula-Student-Projekt innovative Technik entwickelt haben, habe es in seiner Schaffenszeit in Zwickau durchaus gegeben, sagt Reinke weiter.

LernkulTour organisiert Begleitmodule
Neben der praktisch angewandten Lehre bei diesem Projekt erhalten die Studierenden auch Zusatzqualifikationen, die vom HAWK-Projekt LernkulTour organisiert werden. Torsten Sprenger organisiert und leitet diese Begleitmodule des Gesamtprojekts, bei denen das Team Projekt- und Risikomanagement in Seminaren lernt. Und die Teilnehmer/innen erhalten auch einen Sprachkurs, denn die Wettbewerbssprache ist Englisch. Sprenger ist der fakultätsübergeifende Ansatz wichtig, mit dem auch weitere Professor/inne/n begeistert werden sollen, kompetenzorientierte Lehre zu betreiben: „Eine gute Zusammenarbeit und Kommunikation untereinander ist wichtig, Kompetenzen, die auch für die spätere Berufstätigkeit relevant sind. Insgesamt ist es eine Riesenaufgabe für die Studierenden – wir haben aber auch ein studentisches Team mit vielen Ideen und viel Power, das diese Herausforderungen meistern wird.“

Studierende der Fakultät Ressourcenmanagement in Göttingen werden sich um die betriebswirtschaftlichen Aspekte des Projektes kümmern, wie etwa Businessplan, Finanzierung und Marketing. In der Fakultät Gestaltung geht es um das Design des Rennautos, außerdem die Außendarstellung des Projektes mit Homepage und Events.

Am Auftakttag nach der Vorstellung des Zwickauer Elektrofahrzeuges gibt es einen ersten mehrstündigen Projektmanagement-Kurs, der von Frank Haupt, einem erfahrenen Trainer aus der Automobilbranche, durchgeführt wird. Zusammen mit den Studierenden entwickelt er die Grundzüge eines Projektplanes und geht auf die Theorie des Risikomanagements ein.

Reino Mende zukünftiger HAWK-Pilot
Die Studierenden sind am Ende der Fahrdemonstration begeistert: Anfangs noch ein wenig scheu, erkundigen sie sich nun bei den Kommilitonen aus Zwickau nach einzelnen Bauteilen und der Konstruktion. „Für mich wäre es eine große Freude, das eigene Elektrofahrzeug am Ende auch fahren zu dürfen – aber auch eine große Verantwortung dem Team gegenüber“, sagt Reino Mende von der Fakultät Naturwissenschaften und Technik aus Göttingen, zukünftiger HAWK-Pilot. Er kann auf zehn Jahre Erfahrung im Kart-Slalom zurückblicken.

Und auch wenn es ein Wettbewerb ist und die Zwickauer bald zu Konkurrenten des HAWK-Teams werden, so hilft man sich doch eher gegenseitig, sagt Tom Schuster von der Westsächsischen Hochschule: „Die Erfahrung hat gezeigt, dass man sich auch beim Wettbewerb eher gegenseitig mit Know-how hilft und voneinander lernt, anstatt nur gegeneinander anzutreten.“ Das Zwickauer Renngefährt hat es übrigens auf den 3. Platz der Weltrangliste der Formula Student geschafft und ist bisher bestes deutsches Team.