Erscheinungsdatum: 07.11.2007

Hildesheimer HAWK-Studierende der Restaurierung bei EU-Seminar in Amsterdam und Leiden

Hildesheimer HAWK-Studierende der Restaurierung bei EU-Seminar in Amsterdam und Leiden

Glücklich und etwas erschöpft sehen sie aus, die acht Studierenden des Fachbereichs Konservierung und Restaurierung der HAWK und der Fachprofessor für gefasste Holzobjekte und Gemälde, Prof. Dr. Michael von der Goltz, als sie in Hildesheim aus dem Zug steigen. Hinter ihnen liegen zwei Wochen intensiven Lernens mit 20 Studierenden sowie deren Dozenten aus den Niederlanden und Finnland. Es ging um die Frage, wie man Objekte aus anderen Kulturkreisen vor dem Verfall bewahren kann und wie man mit ihren ursprünglichen, oftmals kultischen Bestimmungen heute umgeht. Auch die Unterkunft war sehr speziell: Die finnischen und deutschen Mitwirkenden wohnten auf einem typisch holländischen ‚Plattbodenschiff’ im Hafen von Amsterdam und verpflegten sich selbst.

In dem von der EU finanzierten Seminar lernten die Studierenden verschiedenartige ethnographische Objekte kennen und übten die Herangehensweise an sie. Dabei waren die Aufgabenstellungen an die zukünftigen Konservatoren sehr praxisorientiert: Mehrfach ging es um die Frage nach der Transportfähigkeit eines Objektes, sei es für Transporte innerhalb der Stadt, sei es in einen anderen Kontinent. Wie so oft in der Praxis, wenn zunächst kein Expertenwissen zur Verfügung steht, gestaltet sich die Herangehensweise wie ein Krimi, mit der Auflösung am Ende: Zunächst nähert man sich beschreibend dem Objekt. Bei dem „Wadah“ aus Indonesien erkennen die Studierenden zunächst die Form und die Materialvielfalt: Metallfolien, Papier, Palmenmark, Glasperlen, Wolle und Blätter. Sein Gesamtzustand ist sehr fragil, Einzelteile drohen zu zerbröseln. Im Verlauf der Auseinandersetzung kommen dann weitere Infos hinzu und am Ende die entgültige Klärung: Der „Wadah“ entpuppt sich auf diesem Weg nicht als originaler Kultgegenstand eines Beerdigungsritus, der seiner Bestimmung des Verbrennens entronnen ist, sondern als ein Modell, 1893 entstanden für eine Ausstellung. So wird deutlich, dass bei jedem Exponat der Kontext wichtig ist, seine Geschichte, seine frühere Verwendung oder der Ritus, in den es eingebunden war. Zu beachten sind ferner Informationen zur Geschichte und früheren Präsentationen der Sammlungen und zu den Sammlern selbst.

Das Spektrum der diskutierten Stücke reichte von rituellen Objekten aus Neu-Guinea und Indonesien über Drucke aus Bali bis hin zu einer ägyptischen Mumie mit Sarg und Kanopen, d.h. Gefäßen, in denen bei der Mumifizierung eines Leichnams die Eingeweide separat beigesetzt wurden. Außerdem erläuterten Experten die Geschichte des Tropenmuseums und der indonesischen Sammlung in Amsterdam sowie die japanische Sammlung des National Museum of Ethnology in Leiden. Die präventive, also die vorbeugende Konservierung war genauso Thema von Vorträgen wie japanische Urushi-Lacke.

Das Projektziel des EU-Projektes EthCon (Ethics and Ethnographic Objects Conservation) ist, dass Experten und Studierende aus verschiedenen europäischen Ländern gemeinsam eine interdisziplinäre Methode für die Konservierung ethnographischer Objekte erarbeiten. Denn angesichts der Vielfalt der Kulturkreise ist es sehr schwierig, den ethischen Aspekten die angemessene Berücksichtigung zukommen zu lassen, wurden doch diese Exponate in der Regel nicht als Kunstwerke geschaffen, sondern dienten kultischen bzw. religiösen Zwecken. Neben der Ausbildung der beteiligten Studierenden geht es den beteiligten Hochschulen darum, durch diese Seminarreihe bessere Wege für die Lehre der Konservierung ethnographischer Objekte zu erarbeiten und die vorhandenen Ressourcen gemeinsam zu nutzen. Für die meisten Studierenden waren diese Themenkomplexe völliges Neuland, da alle drei beteiligten Hochschulen die Konservierung ethnographischer Objekte bislang nicht unterrichten. Allein die Hildesheimer HAWK plant in naher Zukunft die Einrichtung einer u.a. auf dieses Fachgebiet zielenden Professur und arbeitet hier bereits seit längerer Zeit mit dem Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum (RPM) zusammen.

In einer Präsentation haben die Studierenden nun abschließend ihren Kommilitonen und Kommilitoninnen von ihren Lernerfahrungen berichtet.
Die Diplom-Restauratorin und Master-Studierende der HAWK, Katja Zimmermann, lobt das Seminar als „extreme Bereicherung“ ihres Blickfelds, zum einen durch die Beschäftigung mit den ethnologischen Objekten, die eine ungeheure Materialvielfalt und viele neue ethische Fragstellungen mit sich bringen. Gleichzeitig ist die Weite der Aufgabenstellungen an die Studierenden für den späteren Beruf wichtig. Denn zusätzlich zu den konservatorischen Fragen wurden auch Fragen nach der Aufstellung mancher Objekte in der Ausstellung gestellt. Auf diese Weise wird es den Studierenden später leichter fallen, sich in interdisziplinären Teams, z.B. mit Kunsthistorikern oder Ausstellungsarchitekten, einzubringen.
Daniela Kötter, die gerade ihr Bachelor-Studium „Präventive Konservierung“ an der HAWK beendet hat und nun den Master-Studiengang „Konservierung und Restaurierung“ belegt, hebt hervor, dass sie die ethischen Fragen als persönliche Herausforderung empfunden habe und die Gruppenarbeit ein wichtige Methode sei, sich dieserzu stellen. Die unterschiedlichen Nationalitäten der Studierenden hätten dabei im Team eine weniger wichtige Rolle gespielt, als die Persönlichkeit der Teilnehmer.

Mit den Evaluationsergebnissen werden die Projektträger die beiden weiteren Seminare vorbereiten, eines in Deutschland und eines in Finnland. Das deutsche Seminar werden Dipl.-Rest. Cord Brune, Prof. Dr. Gerdi Maierbacher-Legl und Prof. Dr. Michael von der Goltz vorbereiten, die die Hildesheimer Studierenden auch nach Amsterdam begleiteten. Es wird mit Unterstützung des RPM in Hildesheim stattfinden. Das Hornemann Institut der HAWK hat den Seminarteilnehmern eine internationale Kommunikationsplattform im Internet eingerichtet und wird sie bis Projektende 2010 weiterpflegen.

Studierende vor dem Übernachtungsquartier Studierende vor dem Übernachtungsquartier