Erscheinungsdatum: 29.03.2016

Masterstudenten bauen ein energieautarkes Haus in den peruanischen Anden

Masterstudenten bauen ein energieautarkes Haus in den peruanischen Anden

Unter der Leitung von Professor Dr. Dr. Martin Thren von der HAWK in Göttingen und Professor Dr. Alfred Breukelman vom HAWK-Standort Hildesheim haben neun Studierende die Herausforderung angenommen, ein Haus in Peru nach ökologischen Maßstäben zu entwerfen und zu bauen. Der Bau des Hauses läuft seit Februar 2016. Die Masterstudenten aus den Studiengängen Architektur und Bauingenieurwesen der Fakultät Bauen und Erhalten und Nachwachsende Rohstoffe Erneuerbare Energien (NREE) der Fakultät Ressourcenmanagement mussten sich schon in der Planung verschiedensten Fragen stellen:

Wie entwirft man ein Landhaus für eine vierköpfige Familie im Hochland Perus und welche Wohn- und Komfortbedürfnisse sind dabei zu berücksichtigen? Welche Klimabedingungen herrschen in 3500 Metern Höhe vor und wie lassen sich Sonne, Wind und Wasser so nutzen, dass sich das Haus energetisch selbst versorgen kann? Auf welche regionalen Bautechniken kann man zurückgreifen und welche Baumaterialien sind verfügbar? Welche Bauvorschriften sind zu berücksichtigen?

"Vieles ist anders, als wir es uns in Deutschland vorgestellt haben. Man muss schon mal improvisieren." Torben Oeser, Bauingenieurstudent aus Hildesheim mit reichlich Auslandserfahrung ist sich sicher, dass sich nach anfänglichen Schwierigkeiten mit dem Grundstück und dem Baugrund nunmehr bald die Bodenplatte gießen lässt. Er arbeitet als "Bauleiter" für alle massiven Bauteile des Gebäudes wie die Bodenplatte und die Adobewände aus Lehm. "Unser Projekt ist ein idealer Testfall für das wirkliche Leben", pflichtet ihm Florian Bachmann, der Architekt des Gebäudes bei, "nur unter völlig ungewohnten Bedingungen". Daher hat sich die gemischte Gruppe nach den Interessens- und Studienschwerpunkten organisiert, mit Verantwortlichen für jeden Bereich. Und wenn Not am Mann ist (die Gruppe besteht ausschließlich aus männlichen Studierenden), dann packen selbstverständlich alle mit an. "Unser Ziel ist es, bis Mitte April möglichst viel in die Tat umzusetzen", ergänzt Peter Bauersfeld, zuständig für die Haustechnik. "Denn schließlich möchte ich noch die eigens von uns entworfene Solartechnik auf dem Dach sehen."

Die HAWK in Hildesheim, die Fakultät Ressourcenmanagement und die Universidad Nacional Autonoma Altoandina de Tarma (UNAAT) haben das Kooperationsvorhaben initiiert. Die verantwortlichen Professoren waren Prof. Dr. Dr. Thren, langjähriger Auslandsbeauftragter seiner Fakultät für Lateinamerika und sein Kollege Dr. Miguel Barrena. "Das Haus ist als Forschungsvorhaben und Modellprojekt für die sich im Aufbau befindliche Universität Tarma von größtem Wert", betont Dr. Barrena und hebt die Bedeutung des Technologie- und Wissenstransfers auf Hochschulebene hervor. Im Rahmen eines Seminars im vergangenen Wintersemester trafen sich die Studierenden im vierzehntägigen Rhythmus mit ihren Betreuern, um sich nach einer umfangreichen Recherche und Vorplanung auf einen Entwurf zu einigen, für den dann alle notwendigen Bauunterlagen zu erarbeiten waren. Das betrifft ebenfalls Werkzeichnungen, statische Berechnung und einen Bewehrungsplan. Dass das Projekt gleichzeitig eine wichtige Erfahrung in Sachen interdisziplinäre Zusammenarbeit und Team-Bildung sein sollte, empfinden alle als großen Vorteil. Obwohl sich die Studenten vorher nicht kannten, wuchs die Gruppe schnell zusammen. Alle wichtigen Entscheidungen treffen die Studenten nach wie vor gemeinsam. Zu den Reisevorbereitungen zählte schließlich auch ein eigens vom Sprachenzentrum der HAWK organisierter Spanisch-Intensivkurs, der sie in einem Land, in dem kaum Englisch gesprochen wird, nicht buchstäblich ohne Worte dastehen lässt.

Das Gebäude- und Energiekonzept der Casa Ecológica orientiert sich an der traditionellen Bautechnik und der Verwendung natürlicher Materialien wie Holz und Lehm. "Unser Ziel ist es, die regionale Bautradition weiterzuentwickeln und mit zeitgemäßer Solartechnik für Wärme und Strom zu verbinden", so Florian Faß, Masterstudent NREE und verantwortlich für die Beheizung des Gebäudes. "Keinesfalls geht es darum, ein Haus mit komplizierter und aufwändiger Technik zu überfrachten und unpraktisch zu machen." Das Gebäude nutzt demnach zunächst alle passiven Möglichkeiten der Solarnutzung: etwa die Orientierung zur Sonne, den Sonneneinfall berücksichtigende Fensterflächen und Dachneigung, Dachüberstände gegen die sommerliche Überhitzung und massive Speicherwände aus Adobe-Lehmziegeln. Dabei mussten sich die angehenden Architekten und Ingenieure unter anderem intensiv mit den Strahlungsbedingungen der Sonne unweit des Äquators, den Wohn- und Kochgewohnheiten der örtlichen Landbevölkerung und den Möglichkeiten der Regenwassernutzung auseinandersetzen. Die Wärmeversorgung des Gebäudes für Heizung und Brauchwasser erfolgt über einen Kalt- und Warmwassertank, den speziell entwickelte Sonnenkollektoren erwärmen. Eine Wandheizung mit schlangenförmig verlegten Kunststoffleitungen unter Putz sorgt für die Wärmeübertragung in den Raum. Eine Photovoltaikanlage, wie die Sonnenkollektoren auf einem Pultdach installiert, deckt den notwendigen Strombedarf für die Haushaltsgeräte. Komplettiert wird die Haustechnik durch eine Regenwassersammelanlage und wassersparende Armaturen, denn, so Faß, "es geht auch darum, das Bewusstsein für den sparsamen Umgang mit Wasser zu schärfen."

Die Konstruktion des Hauses besteht aus einer für peruanische Verhältnisse ungewohnten Holzrahmenbauweise, für die es zunächst galt, geeignete Holzarten zu finden. Marcel Frommhagen, Masterstudent des Studiengangs Bauingenieurwesen und Hauptverantwortlicher für das Holztragwerk, ist sich sicher, dass der Holzbau in Peru noch große Entwicklungsmöglichkeiten hat: "Es geht darum, die Wertschätzung für die heimischen, nachwachsenden Ressourcen und die Bautradition zu stärken. Es müssen nicht immer die vermeintlich modernen Baustoffe wie Beton und Stahl sein." Die Wahl fiel auf die Holzart Huairuro, ein Hartholz, "welches wohl in jedem Fall die Festigkeitsanforderungen erfüllt", so Frommhagen. Ergänzt wird die Holzständerkonstruktion durch eine Dämmung aus getrocknetem Ichu, einer Grasart.

Die Hochschulprofessoren Dr. Dr. Thren und Dr. Breukelman begleiteten die Studenten in der Anfangsphase beim Bau des Hauses, welches als Prototyp und Modellhaus für weitere Anwendungen geplant ist. Bis April stehen vor Ort unter anderem das Team um Dr. Barrena von der UNAAP sowie Fabrizio Anticona, Architekt in Tarma, tatkräftig zur Seite. Auch wenn noch einige offene Fragen und Herausforderungen auf die Gruppe warten, bereits jetzt sind sich alle einig: die Fülle der Eindrücke und Erfahrungen, die gemeinsame Arbeit an einem Ziel und nicht zuletzt die Gastfreundschaft der Menschen sind den Einsatz wert.

Kontakt:
Prof. Dr. Dr. Martin Thren
Prof. Dr. Alfred Breukelman

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