ICOMOS-Preis für HAWK-Studentin Vivien Bögelsack von der Fakultät Bauen und Erhalten

Publizierungsdatum: 20.11.2017

Vivien Bögelsack, Masterstudentin Architektur im dritten Semester an der HAWK in Hildesheim, hat eine der fünf besten Arbeiten im Rahmen des ICOMOS-Studierendenwettbewerbs „60plus XXL“ eingereicht. Für ihre Arbeit, die sich mit der Schutzwürdigkeit des Wohnkomplexes Schlangenbader Straße in Berlin beschäftigte, erhielt sie eine mit 500 Euro dotierte Ehrung.

Die ICOMOS-Nachwuchspreise wurden jetzt im Goldenen Saal des Puschkin-Palais in Schwerin verliehen. ICOMOS ist der Internationale Rat für Denkmäler und historische Stätten mit Sitz in Paris. Er wurde 1965 als Unterorganisation der UNESCO in Warschau gegründet. Jury und Auslober waren neben ICOMOS Deutschland auch die Hochschule Trier, die Hochschule Wismar, die Architektenkammer Mecklenburg-Vorpommern, der Arbeitskreis Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V. sowie die Wüstenrot Stiftung. Letztere stiftete auch die Preisgelder.

 

Über die Ehrung freut sich Vivien Bögelsack sehr. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit der außergewöhnlichen Wohnanlage Schlangenbader Straße in Berlin. Hier wurde ein Wohngroßkomplex über eine Autobahn gebaut. Bögelsack fand das Thema selbst sehr spannend: „Eben weil es eine Wohnmaschine ist und in erster Linie überhaupt nicht schön, hat es mich selbst ziemlich gereizt herauszufinden, ob da ein gewisser Wert drin steckt“, sagt sie. „Ich konnte mich im Laufe der Arbeit letztlich auch davon überzeugen.“

Nicht zuletzt habe sie auch das damalige Planungskonzept gewürdigt, das sie als sehr wertvoll bezeichnet. Gerade in Hinsicht auf die zunehmende städtische Wohnbevölkerung sei es damals zukunftsweisend gewesen, ein solches platzsparendes Wohnraumangebot zu schaffen: „Das Gebäude ist in einer Kombination mit einer Autobahn, die ohnehin gebaut worden wäre, entstanden. Die Fläche darunter wurde indirekt doppelt genutzt.“

Auch der Begriff des Denkmalschutzes, mit dem landläufig eher alte Konstruktionen verknüpft seien, würde mit ihrer Arbeit thematisiert: „Letzten Endes gibt es viele Kategorien, die schützenswert sind. Es gab vor kurzem eine Tagung, bei der es darum ging, dass auch Kernkraftwerke einen gewissen Wert haben, den man schützen könnte.“ Sie glaube, dass es sich nicht nur um die Frage von Erhalten oder Rekonstruktion drehe. „ Es geht darum, die Ideen, die darin stecken, weiterzugeben.“ Wenn sie sich entscheiden könne, wäre Bögelsack gerne in der Nachkriegszeit Architektin geworden: „Man hat ganz viele Möglichkeiten gehabt, neue Materialien und Technologien einzusetzen.“

Genau hier setzte die Professorin Dr.-Ing. Birgit Franz in ihrem Master-Seminar Kulturgeschichte des Bauens und Nutzens an: Um den Denkmalwert einer baulichen Anlage der Nachkriegsmoderne auszuweisen, muss man sowohl den gesellschaftlichen Alltag als auch bestehende Visionen einer Zeit in den Fokus nehmen. Die 1960er und 1970er Jahre waren von einer bedingungslosen Zukunftsgläubigkeit geprägt. Zu keiner Zeit, nicht zuletzt bedingt durch die vorangegangenen Kriegszerstörungen in den Jahren 1943 bis 1945, wurden so viele öffentliche Bauwerke – von Kulturbauten bis Flughäfen – sowie Großsiedlungen gebaut, auch um die zwölf Millionen Flüchtlinge aus den ehemaligen östlichen Gebieten des früheren Deutschen Reichs aufzunehmen, ihnen und allen Bürgerinnen und Bürgern nicht nur Obdach zu geben, sondern Lebensgefühl. Dies alles sind Aspekte, denen im Seminar in Form von Impulsvorträgen, Diskussionen, Referaten intensiv nachgegangen wurde, um an selbstgewählten Beispielen die Werte dieser Epoche zu beleuchten.

„Als Professorin war ich immer beeindruckt, wie viel Vivien Bögelsack weiß und wie gesamtkontextuell sie denkt. Ihre konstruktiv-kritische Architekturauffassung belebte ein jedes Seminar“, so Birgit Franz, die den Kurs“ Kulturgeschichte des Baues und Nutzens II“ an der HAWK in der Vertiefung Bauen im Bestand/Baudenkmalpflege im Master Architektur lehrte und mit großem Enthusiasmus und eigener Begeisterung für die Nachkriegsmoderne im Seminar dieses eher sperrige Thema vermittelte.

Mit „60plus XXL“ wurde Studierenden die Aufgabe gestellt, die kulturhistorische Bedeutung von Großbauten und Megastrukturen der Vorwendezeit aus Sicht des Denkmalschutzes wissenschaftlich zu beurteilen. Gerade die Verbundkomplexe und Großwohnanlagen der 1970er, 1980er und 1990er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bekämen heute zunehmend öffentliche und auch konservatorische Aufmerksamkeit. Gleichzeitig lösen sie Kontroversen aus, da sie nicht selten besondere Herausforderungen an gängige Denkmalerwartungen darstellen.

Die Studierenden sollten darüber hinaus auch mögliche Strategien für ihre Erhaltung und Nachnutzung analysieren.