Studie der HAWK-Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit untersucht Wirksamkeit

Publizierungsdatum: 19.01.2018

Menschen mit psychischen Belastungen oder Erkrankungen haben es bei der Jobsuche besonders schwer. Gleichzeitig kann sich Arbeitslosigkeit negativ auf die psychische Gesundheit auswirken – eine Abwärtsspirale, aus der Betroffene nur schwer herausfinden. Die Folge ist häufig Langzeitarbeitslosigkeit. Ein individuelles Einzel-Coaching, wie es die Eingliederungshilfe „daheim STATT HEIM“ in Hildesheim anbietet, kann helfen, aus dieser Spirale zu entkommen. Das hat ein achtköpfiges Forschungsteam der HAWK-Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit nun herausgefunden.

Mir war wichtig, dass diese junge Maßnahme möglichst zeitnah erforscht wird.
Prof. Dr. Sabine Mertel

„daheim STATT HEIM“ hat die Studie in Auftrag gegeben, um das eigene Coaching-Programm „Mein Weg“ unter die Lupe zu nehmen. Seit 2015 bietet das Unternehmen die Maßnahme an. Über einen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein der Agentur für Arbeit können Arbeitssuchende das Angebot in Anspruch nehmen. Maximal ein halbes Jahr lang treffen sich die Teilnehmenden mit einem persönlichen Coach zu Gesprächen und bekommen kleine Hausaufgaben. Bewerbungstraining ist nur ein Aspekt dieser Einzelgespräche. Selbstorganisation, Gesundheitsförderung und Aktivierung der Teilnehmenden stehen im Vordergrund des Coaching-Programms.

 

Das Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Sabine Mertel hat nun untersucht, auf welche Weise Arbeitssuchende von diesem Programm profitieren können. Vier Masterabschlussarbeiten sind im Rahmen dieses Projektes entstanden. „Mir war wichtig, dass diese junge Maßnahme möglichst zeitnah erforscht wird, damit wir qualitative Ergebnisse erhalten und die Maßnahme bewerten und verbessern können“, erklärt Ulf Zimmermann, Geschäftsführer von „daheim STATT HEIM“, den Anlass der Studie.

Im Januar 2017 startete das Forschungsprojekt mit der Akquirierung von Arbeitssuchenden, die an dem Coaching-Programm teilgenommen hatten. In Interviews wurden die zwölf Teilnehmenden von den Projektmitarbeiterinnen befragt. Dabei berichteten die Arbeitssuchenden beispielsweise von ihrer Vergangenheit, ihrem heutigen Alltag, ihrem Umgang mit der Arbeitslosigkeit und von gesundheitlichen Problemen. Außerdem wurden Ihnen Fragen zu dem Einzelcoaching gestellt, das sie zu diesem Zeitpunkt bereits absolviert hatten. Daneben führten die Forscherinnen Interviews mit den Mitarbeiter/innen des Coaching-Programms und befragten sie zu ihrer Arbeit mit den Arbeitssuchenden. Gemeinsam mit der Doktorandin Reingard Schusser präsentierte Mertel nun die Ergebnisse des Forschungsprojektes.

So konnte das Forschungsteam die Lebenssituation und Biografie der Teilnehmenden erfahren. Dabei sei deutlich geworden, dass die Arbeitssuchenden bereits mit vielen Problemlagen zu kämpfen hatten. Viele hätten beispielsweise kaum Unterstützung durch ihre Eltern erfahren. Außerdem verfügten die meisten der Teilnehmenden über sehr wenige soziale Netzwerke, erklärt Mertel. „Wenn überhaupt haben sie nur ein oder zwei Freunde oder Freundinnen. Manche haben auch nur ein Familienmitglied als Bezugsperson.“ Diese Vereinsamung sei ein „frappierender Befund“.
Ein anderes wichtiges Ergebnis der Gespräche war die Feststellung, dass die Teilnehmenden des Coachings unbedingt arbeiten wollten. „Sie haben eine sehr hohe Arbeitsmotivation. Aber sie scheitern am Arbeitsmarkt. Das führt zu einem Verlust von Sinnhaftigkeit“, erläutert Mertel.

Das Coaching-Programm habe dagegen einen positiven Einfluss auf das Befinden der Arbeitssuchenden. Als besonders angenehm hätten die Teilnehmenden empfunden, dass die Coaches ihnen auf Augenhöhe begegneten und die Gespräche auf einer persönlichen Ebene stattfanden. Auch dass sie Einfluss auf die Termine und den Inhalt der Gespräche nehmen konnten, habe sich positiv auf das Coaching ausgewirkt. „Das hat den Teilnehmenden sehr gut getan. Das haben sie so noch nicht erlebt“, erklärt Mertel. Außerdem gingen die Arbeitssuchenden gestärkt aus dem Coaching-Programm heraus. „Das Coaching wirkt sehr gut auf die Lebensperspektive und das Selbstwertgefühl. Die Menschen wissen anschließend, was sie sich zutrauen können und wo ihre Grenzen sind.“ Auch durch das Bewerbungstraining hätten viele Teilnehmenden profitiert. Sieben der Befragten hätten im Anschluss an das Coaching sogar eine Tätigkeit aufnehmen können.

Trotzdem ist das Einzelcoaching als Maßnahme nur für wenige Arbeitssuchende vorgesehen. „Die Maßnahme richtet sich an Menschen mit schweren Vermittlungshemmnissen. Damit sind Personen gemeint, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen Schwierigkeiten haben, wieder auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren“, erklärt Zimmermann. Die Teilnehmenden des Coaching-Programms „Mein Weg“ hätten vor allem gesundheitliche Probleme im psychischen und körperlichen Bereich.

Über die positiven Ergebnisse der HAWK-Studie zeigte sich Zimmermann erfreut: „Ich nehme vor allem mit, dass das, was uns wichtig ist, nämlich die Beziehungsgestaltung und das Arbeiten auf Augenhöhe, auch zu den Klientinnen und Klienten transportiert wurden. Wenn ich dann noch höre, dass die Teilnehmenden sich bei uns wohlgefühlt haben und gerne gekommen sind, dann ist für mich erst einmal das Ziel erreicht.“