HAWK hilft Chorgestühl von 1537 wieder auf die "Beine"

Publizierungsdatum: 27.09.2018

Das Chorgestühl aus Tobsdorf in Siebenbürgen aus dem Jahr 1537 steht wieder. Allerdings nicht in einer Kirche, sondern in der HAWK-Werkstatt der Fakultät Bauen und Erhalten. Es ist imposante drei Meter hoch und die Rückwand des sechsstalligen Chorgestühles misst 4 Meter 20 Breite. Daneben steht das dreistallige Chorgestühl. „Wir haben das Chorgestühl noch nie stehend gesehen“, sagt Ralf Buchholz, Werkstattleiter für die Studienrichtung Möbel und Holzobjekte beeindruckt.  

„Wir haben das Chorgestühl noch nie stehend gesehen“, sagt Dr. Ralf Buchholz, Werkstattleiter für die Studienrichtung „Restaurierung von Möbeln und Holzobjekten“ stolz. Bei einer Feierstunde dankte die Fakultät allen Beteiligten für ihre fachkundige Mithilfe in den vergangenen sieben Jahren und präsentierte das wiederaufgestellte Sakralmöbel.

 

 

 

„Bei einer Forschungsreise haben wir die Einzelteile in der Kirche von Großau entdeckt, damals lag es abgebaut auf Kirchenbänken und war in einem konservatorisch höchst bedenklichen Zustand“, so Buchholz. Durch einen Vertrag mit der evangelischen Landeskirche durfte das Objekt 2010 außer Landes geführt werden und HAWK-Professorin Dr. Gerdi Maierbacher-Legl übernahm die Leitung des umfangreichen Restaurierungsprojektes. „An so einem ausgefallenen Stück aus der Spätgotik arbeiten zu dürfen, ist für den Studiengang und die Studierenden ein Glücksfall“, sind sich Prof. Dr. Gerdi Maierbacher-Legl und Dr. Ralf Buchholz einig.

In der Zwischenzeit haben sieben Jahrgänge der Konservierung- und Restaurierungsstudiengänge an dem sakralen Möbelstück gearbeitet, eine der Hauptaufgaben bestand vor allem in der Festigung der durch holzzerstörende Insekten stark geschädigten Holzteile mit einer Kunstharzlösung. Drei Master- und drei Bachelor-Thesen sind über das Chorgestühl entstanden. Studentin Susanne Karius gelang es zum Beispiel in ihrer Master-Thesis, das Chorgestühl der Schäßburger Schreinerwerkstatt von Johannes Reychmut zuzuordnen. Dafür untersuchte sie die aufwändigen Holzdekorationen (Blockintarsien) des Chorgestühles und verglich sie mit anderen Chorgestühlen ähnlicher Entstehungszeiten. Christine Fiedler entwickelte in ihrer Master-Thesis ein Verfahren, die fehlenden Intarsien digital zu ergänzen und auf Furnier auszudrucken. Tischler Dennis Söffker verglich im Master Konservierungs- und Restaurierungswissenschaft historische Vorbilder miteinander und nutzte die Informationen zum Nachbau eines Eiche-Podestes für das gesamte Chorgestühl und für die damit verbundene Anordnung des Betpultes.
 


Seine Standfestigkeit verdankt das Chorgestühl aber auch der Prototyping Hardware der HAWK. Die Fakultät Gestaltung erfasste mit einem 3D Laser Scan die Bruchstellen des Gestühles und gab die Daten dann an das Holzlabor der Fakultät Bauen und Erhalten weiter. Daraus entstanden in der CNC- Fräse die passenden Teile aus Lindenholz, die über ein spezielles Schraubverfahren das Originallindenholz ergänzten. Bei den holzwissenschaftlichen Berechnungen plante die Fakultät auch die Witterungsbedingungen am neuen Standort ein. 2018 soll das Chorgestühl in der Museumskirche in Mediasch in Siebenbürgen wieder aufgestellt werden, bis dahin wird es eine Wanderausstellung mit dem Ausstellungsstück geben, verspricht Maierbacher-Legl. Das fehlende Betpult für das dreistallige Chorgestühl wird nicht ergänzt und auch als Sitzmöbel soll es nicht wieder genutzt werden.

Eine Frage wird am Ende der Forschung jedoch wohl offen bleiben müssen: Zu welchem Anlass schuf Johannes Reychmuth ein so aufwändiges Sakralmöbel und stellte es in so eine kleine Kirche wie in Tobsdorf?