Erscheinungsdatum: 04.02.2008

<P>Erfahrungsbericht und Rezeptionsanalyse der Kunst- und Kulturwissenschaftlerin Dr. Carola Muysers in der Fakultät Erhaltung von Kulturgut </P>

Erfahrungsbericht und Rezeptionsanalyse der Kunst- und Kulturwissenschaftlerin Dr. Carola Muysers in der Fakultät Erhaltung von Kulturgut

Die Ausstellung französischer Werke des 19. Jahrhunderts aus dem Besitz des Metropolitan Museums New York in der Neuen Nationalgalerie in Berlin hat mit Rekorden gewuchert: 680.00 Besucher innerhalb der vier Monate Juni bis Oktober 2007, geleitet von einem ausgeklügelten Ticketsystem, waren deutlich mehr als die Veranstalter erhofft hatten. Großsponsoren wie die Telekom konnten gewonnen werden. Die Versicherungssummen für die rund 150 amerikanischen Werke waren derartig gewaltig, dass der Bund einsprang. Die Schau ist allein durch den Umbau im Metropolitan Museum of Art möglich geworden und wird in dieser Form, so der Direktor im Katalog, nicht mehr nach Europa kommen. Allein 1 Million Euro gab man für ein Marketing im „bewusst altmodischen Design“ aus, so Dr. Carola Muysers: entlehnt an die französische Flagge zierten rot-weiß-blaue Steifen die Ränder der (bewusst verführerischen) Plakatserien und Kataloge, überzogen die Shirts des Führungspersonals und dominierten die Website der Ausstellung.

Die Ausstellung selbst war eine, so die Referentin, „traditionelle Schau“, gruppiert nach Bildthemen und mit Einführungstexten, die weder den historischen Zusammenhang noch einen Gegenwartsbezug herstellten oder zur kritischen Reflexion einluden. Trotz sehr vieler geschlechtsspezifischer Motive und rund 75% weiblicher Besucher sei die Gender-Frage nicht aufgeworfen worden.
Dies holte die Referentin in ihrem Vortrag nach: Schlüssig erläuterte sie, wie sich an diesen Werken von der französischen Revolution bis zum Postimpressionismus die Entwicklung des modernen Geschlechterverhältnisses aufzeigen lässt. An zwei Werken der beiden einzigen weiblichen Künstler zeigte sie Individualität und Realismus: Die „zeichnende junge Frau“ von Marie-Denis Villers aus dem Jahr 1801 (s. Abb.), einer der Besuchermagnete, stellt eine auf sich selbst gestellte, junge Künstlerin dar. Das Bild „Sitzende junge Frau“ von Berthe Morisot um 1879 bildet eine Frau im prachtvollen Gewand im Garten eines Sommerhauses ab, ein realistisches Abbild auf die Rolle der Frau.
Anschaulich zeigte die Rednerin, wie Künstler wie Courbet oder Lautrec durch die Darstellung realistischer Frauenakte provozieren und eine Gegenposition einnehmen zu Werken mit klassischen Rollenbildern, wie z.B. von Renoir.

In der anschließenden Diskussion wurde der Bogen zu konservatorischen Fragen gespannt.
Aus restauratorischer Sicht wäre z.B. interessant gewesen, die amerikanischen Bilder mit den französischen Werken in deutschem Besitz zusammenzuhängen, weil man daran unterschiedliche Vorstellungen von Restaurierungen hätte ablesen können, die heute zu einem unterschiedlichen Zustand und zu unterschiedlicher Rezeption der Bilder führen.
Ein zweiter Aspekt in der Gesprächsrunde war die Feminisierung des Restauratoren-Berufs seit den letzten 20 bis 30 Jahren. Während er bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts ein reiner Männerberuf war, sind inzwischen in diesem Beruf Frauen überproportional vertreten. Das gibt es zwar auch in anderen Berufen, kann dort aber oft mit der wechselnden wirtschaftlichen Lage erklärt werden, was – so das Auditorium - auf die Restaurierung nicht zutrifft. Einem hohen gesellschaftlichen Ansehen ständen begrenzte Verdienstmöglichkeiten gegenüber.
Über diese Gender-Frage wird im Fachbereich zukünftig geforscht.
Der Vortrag von Dr. Carola Muysers wird im Herbst von der HAWK gedruckt.


Vortrag zur Berliner Ausstellung Vortrag zur Berliner Ausstellung