HAWK und Uni Marburg kartieren Tiefenschäden per Terahertz-Tomographie

Erscheinungsdatum: 17.11.2022

Seit über zehn Jahren entwickelt die Göttinger Fakultät Ingenieurwissenschaften und Gesundheit der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen und die Philipps-Universität Marburg mit Unterstützung der Firma Menlo Systems ein Verfahren, mit dem sich Hohlräume bis hin zu minimalen Materialablösungen mit Terahertz-Strahlung in Kulturgütern detektieren lassen. Das Verfahren tastet Holzskulpturen dabei erstmalig mit einem Roboterarm dreidimensional ab und übernimmt die Messergebnisse in eine neuartige Tiefenkartierung.

Jetzt hat das Forschungsteam das Verfahren am spätgotischen Marienaltar im Kloster Isenhagen mit großem Erfolg angewendet.

In der Restaurierung stellt sich die zentrale Frage, ob sich ein Hohlraum direkt unter der Oberfläche befindet und welche Dimension er einnimmt? Eine objektive Antwort liefern die derzeit üblichen Verfahren der Restaurator*innen bei der Untersuchung geschädigter Holzskulpturen und anderen historisch relevanten Materialien bis dato nicht.

 

Um eine Antwort zu finden, nutzten sie beispielsweise bei Wandflächen bisher die Perkussionsmethode, also das Abklopfen der Oberfläche zur Abschätzung des nicht sichtbaren Schadens. „Im Neuen Museum in Berlin habe ich im Griechischen Saal Putzflächen auf Hohlräume abgeklopft. Nach einer Woche wünschte ich mir und meinen Knöcheln eine bessere Methode, die mir berührungs- und zerstörungsfrei vielmehr Informationen bieten könnte“, erinnert sich Dr. Dipl. Rest. Kirsti Krügener von der HAWK. So begann die Zusammenarbeit mit der Terahertz-Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Martin Koch von der Philipps-Universität Marburg. „Ganz einfach erklärt ist eine Terahertz-Tomografie-Messung quasi eine Ultraschall-Messung mit unsichtbarem Licht", erläutert Prof. Koch. „Mit Terahertz-Pulsen dringen wir durch das Material hindurch. Gibt es einen Pulsreflex an einem Materialübergang zu Luft, ist dort ein Hohlraum“.

„Wir nutzen damit ein völlig neues Verfahren in der Restaurierung nach dem Motto: Technologie trifft Mittelalter. Am Ende unserer Forschung soll idealerweise ein Terahertz-Handscanner stehen, der direkt am Objekt verlässliche Daten zu Schädigungen unter der Oberfläche liefert. Unser Ziel ist es, ein neues Monitoringverfahren im Restaurierungsbereich zu etablieren“, so HAWK-Projektleiter Prof. Dr. Wolfgang Viöl.

Die Holzskulpturen im Kloster Isenhagen wurden innerhalb des Projektes zweimal mit Terahertz-Strahlung vermessen: Einmal vor und nach der Restaurierung. Vor der Bearbeitung waren die Schädigungen darstellbar, nach der Restaurierung ließen sich verfüllte Hohlräume und Festigungen mit Terahertz-Zeitbereichsspektroskopie darstellen. Prof. Dr. Martin Koch erklärt, dass durch die Restaurierung jetzt eine veränderte Charakteristik in der Pulsabfolge, bis hin zum Ausbleiben von Pulsen, durch die Anbindung von Oberflächen entstanden ist. Die Terahertz-Daten kombinierte das Team mit einer in der Software MetigoMap der Firma Fokus GmbH erstellten 3D-Kartierung. So gleicht das Team erstmals die Schadenkartierung der sichtbaren Oberfläche mit den Schadensanalysen aus der nicht sichtbaren Tiefe ab. „Durch den genau erfassten Zustand der Objekte mit der kombinierten Kartierung ist eine entsprechende fachgerechte Restaurierung leichter durchzuführen und ein Monitoring – also eine Zustandsüberwachung – an Objekten objektiv möglich“, so Krügener, die zusammen mit Restauratorin Roksana Jachim die restaurierungswissenschaftliche Begleitung und die Materialanalytik übernommen hat.
Die für die Messungen entnommenen und dafür ausgewählten Altarfiguren Petrus, Simon und Maria mit dem Jesuskind auf dem Arm gingen nicht nur durch die digitale Schadenskartierung und zusätzliche 3D-Kartierung von Master-Restauratorin Roksana Jachim, sondern auch durch die Terahertz-Tomographie der Marburger Promovierenden Cornelius Mach, Jan Ornik und Jochen Taiber.

Diese Datenlage bietet Corinna Lohse, Leiterin der Restaurierungswerkstatt der Klosterkammer Hannover, und ihrem Team eine sehr gute Grundlage für die nun laufende Restaurierung und das künftige Monitoring des Marienaltars im Kloster Isenhagen.

Die Stiftung der Klosterkammer Hannover und die Deutsche Bundesstiftung Umwelt unterstützen die innovative Forschung durch finanzielle Förderung.