Architektur-Studierende überzeugen mit mehr als nur mit Entwürfen

Erscheinungsdatum: 17.02.2023

Die Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst am Standort Hildesheim präsentierte am 16. Februar 2023, im Rahmen der Veranstaltung STADTVISIONEN #3, die Projektarbeiten des Masterstudiengangs Architektur im Modul „Bauen im städtebaulichen Kontext“ unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Ines Lüder und Dipl.-Ing. Martina Reichelt.

Die Studierenden stellten ihre Entwürfe für ein „Inklusives Quartier“ in Duderstadt vor. Der Einladung folgten neben Duderstadts Bürgermeister Thorsten Feike auch verschiedene weitere Akteur*innen, die an der Entstehung eines „Inklusiven Quartiers“ beteiligt sind. Den ersten Platz des Caritas-Preises belegte der Entwurf „Zeitlos Inklusiv“ von Jeannine Rohrberg, Kevin Tornau und Fynn-Niels Weberling.

 

Insgesamt zwölf Gruppen aus meist drei Studierenden des ersten Semesters gaben in den STADTVISIONEN #3 einen Einblick in die Ergebnisse ihrer intensiven Arbeit. Die Studierenden entwickelten für ein ca. 10.000 Quadratmeter großes Grundstück nahe der Altstadt in Duderstadt Entwürfe für ein neu zu gestaltendes Quartier. Es flossen unterschiedliche Ideen zu Themen wie „Caring Community“ und Nachbarschaft, Begegnungsanlässe und Aufenthaltsqualitäten, Mehrgenerationenwohnen, alternative Wohnformen zum Einfamilienhaus, Wohnen für Menschen mit Beeinträchtigungen und/oder Betreuungsbedarf, Barrierearmut/-freiheit sowie Offenheit zur Stadtgesellschaft und synergetische Nutzungen mit in die Projektarbeiten ein. Auch das Weiterbauen im historischen, denkmalgeschützten Stadtkern war Bestandteil der entwurflichen Auseinandersetzung.

Die Studierenden stellten dabei in den vergangenen Monaten ihre Fähigkeiten in der Konzeption von Architektur und Städtebau auf die Probe. Im Verlauf des Kurses erarbeiteten alle Studierenden in einem Expertenworkshop Anfang Dezember zusammen mit Menschen mit Beeinträchtigungen wichtige Anforderungen der Inklusion. Mit der Abschlussveranstaltung in Hildesheim bot sich ihnen eine hervorragende Gelegenheit, ihre Projektarbeiten der Öffentlichkeit zu präsentieren und wertvolles Feedback von den verschiedenen Projektpartnern zu erhalten. Die im Anschluss an die jeweiligen Entwurfsvorstellungen entstandenen Diskussionen über Inklusion in Architektur und Städtebau sowie über räumliche, bauliche, funktionale und atmosphärische Qualitäten wurden von allen Beteiligten als sehr wertvoll empfunden. Die Arbeiten der Studierenden decken ein breites Spektrum an Möglichkeiten ab. Ihr Engagement und der behutsame Umgang mit den unterschiedlichsten Belangen der Akteur*innen vor Ort sollten deshalb besonders bedacht werden.

Höhepunkt der Veranstaltung war die Verleihung eines vom Caritasverband Südniedersachsen e.V. über 1.000 Euro dotierten Preises. Die Jury bildeten die teilnehmenden Gäste. Der Siegerentwurf sollte entweder äußerst innovativ und überraschend sein sowie die künftigen Planungen des Quartiers bereichern oder eine besondere Qualität des Miteinanders erwarten lassen.

Da alle Projektarbeiten in Summe die Entwicklung des Quartiers nachhaltig prägen werden, entschied die Jury 500 Euro des Preises an die gesamte Studierendengruppe zu vergeben. Es gab zwei zweite Plätze, die mit jeweils 125 Euro an die Studierenden Muriel Heise, Anna Streit und Gerrit Kilian Gronau mit dem Konzept „Gemeinsam heimisch“ und an den Entwurf von Olivia Langschwadt und Pia Reimann gingen.

Den ersten Platz unter dem Titel „Zeitlos Inklusiv“ belegten Jeannine Rohrberg, Kevin Tornau und Fynn-Niels Weberling. „Bei uns hört Inklusion nicht nur bei einfacher Architektur auf, sondern geht weit darüber hinaus“, so Tornau. In ihrem Entwurf ist es ihnen auf besondere Weise gelungen, die umliegende grüne Natur mit dem Inneren des Quartiers zu verbinden.
So bezogen sie außerdem in ihr Konzept vielfältige Anforderungen zur Inklusion und Barrierefreiheit mit ein. Beispielsweise integrierten sei ein Blindenleitsystem in den Grundriss des Quartiers. Ein weiterer Punkt war der Wunsch nach abgerundeten Ecken im Außenbereich. Diese Anregung lösten sie über runde Grünflächenbegrenzungen für etwa sehbeeinträchtigte Menschen. Des Weiteren schlugen sie multisensorielle Signalgeber an Türen vor, die sowohl akustisch als auch optisch Signale aussenden können.
Die drei Gewinner waren sichtlich überrascht, denn nach eigenen Angaben waren Ihre Entwürfe sehr experimentierfreudig, was zu intensiven Nacharbeiten nach Zwischenbesprechungen führte. „Bis zu einem Punkt, an dem dann alles funktionierte“, so Weberling und die gewagteren Ideen griffen. Stolz und glücklich nahmen sie das Preisgeld von 250 Euro entgegen.

Der Bürgermeister der Stadt Duderstadt, Thorsten Feike, lobte die Arbeiten der HAWK-Studierenden und lud die drei Gewinnerteams zusammen mit ihren Dozentinnen zur Präsentation der Entwürfe nach Duderstadt ein. Für Lüder war das Aufgreifen gesellschaftlich relevanter Themen und die Möglichkeit, Entwürfe für einen realen Standort entwickeln zu können ein großer Gewinn – nicht nur für die Studierenden. Sie betonte die zukunftsweisende Herangehensweise: „Themen wie inklusive Quartiere und die Entwicklung von Architekturen mit Wohnungen für vielfältige Anforderungen und verschiedene Lebensentwürfe sollen weiter in unserem Architekturstudium verankert werden. Ich würde mich darüber freuen, wenn wir mit unseren Studierenden auch in Zukunft mit Projektpartnern an diesen aktuellen Fragestellungen arbeiten könnten und bin für eine Kontaktaufnahme durch potentielle Partner offen.“ Weiter sehe sie es auch als Chance an, innerhalb der HAWK interdisziplinär im Bereich soziale Arbeit an diesen Themen zu arbeiten.

Die Präsentation der Entwürfe zog nicht nur den Bürgermeister der Stadt Duderstadt sowie seinen Kollegen Jürgen Germerott, Fachbereichsleiter für Stadtentwicklung an, sondern auch die beiden Vorstandsmitglieder Ralf Regenhardt und Holger Gatzenmeyer vom Caritasverband Südniedersachsen e.V. in Duderstadt zusammen mit Manuela Kunze, Geschäftsbereichsleitung und Projektverantwortliche für das Quartier, Alfons Wüstefeld, vom Caritasrat und Dr. Johannes Broermann von der Stabstelle Kommunikation des Caritasverbandes Südniedersachsen e.V.
Tanja Dornieden, Diplom-Geografin und Inhaberin von „KoKo Kommunikation Konsens Konzeption“ in Bovenden folgte der Einladung, da sie den Kontakt zwischen den Akteur*innen in Duderstadt und der HAWK herstellte. Außerdem beteiligte sich Eva-Maria Martin, Inklusionskoordinatorin des Landkreises Göttingen, Melanie Mahr Ph.D, Bereichsleitung Wohnen, Ambulante Dienste & Tagesstruktur der Harz-Weser-Werke gGmbH in Osterode am Harz und Thomas Kistner, Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Eichsfeld mbH am anregenden Austausch. Auch potentielle Bewohner des Quartiers bereicherten die Diskussion. So kam Janina Lauterberg, Leitung der Wohnstätte der Harz-Weser-Werke in Duderstadt, mit den beiden Bewohnern Tobias Bieschke und Melanie Harenberg sowie Norbert Baensch als Interessierter und potentieller Bewohner des geplanten Wohnprojekts.

Die STADTVISIONEN bilden eine Veranstaltungsreihe, bei der Architekturstudierende der HAWK Entwurfsergebnisse und Zukunftsvisionen präsentieren und damit zum Stadtentwicklungsdiskurs beitragen. Den Auftakt machte im Oktober 2022 eine Veranstaltung beim Rasselmania e.V., bei der Studierende Ideen für die Weiternutzung des ehemaligen Tanzpalastes in der Nordstadt vorgestellt haben. Im Wintersemester 2022/2023 profitierten gleich zwei Städte von neuen Konzepten: Hildesheim und Duderstadt wurden intensiv untersucht, konnten sich über unterschiedlichste Ergebnisse freuen.