HAWK-Studierende experimentieren mit dreidimensionalem Tondruck

Erscheinungsdatum: 15.06.2021

So langsam beginnen sich Schweißtropfen auf der Stirn von William Tessin zu bilden. Der schwere Klumpen vor ihm, den er gerade durchknetet, ist aus Ton. Mit dem soll heute die geometrische Form gedruckt werden, die Franziska Goertz im Computer entworfen hat. Die beiden gehören zu den insgesamt fünf Studierenden, die in der freien Werkstatt des Kompetenzfelds Produktdesign erforschen, was möglich ist mit einem 3D-Drucker, der statt mit Kunststoff mit Ton gefüllt wird.

Der Ton muss eine homogene Konsistenz aufweisen

„Alles ist manipulierbar. Mit der Hand eingreifen während des Drucks beispielsweise. Was wir viel machen, ist schon im Vorfeld die Bahnen einzeln oder parametrisch zu gestalten, um neue Ästhetiken zu generieren. Da wir die Druckbahnen nicht verstecken können, benutzen wir sie als gestalterisches Mittel. Das ergibt ganz neue Möglichkeiten beim Druck mit Ton im Vergleich zum Kunststoff, denn das Gewicht des Tons kann als Mittel agieren, das nach dem Druck nicht wie Kunststoff sofort erstarrt, sondern sich noch nach unten formen kann. Ton hat also ganz eigene Anforderungen und eine ganz andere Ästhetik." Masterstudent Konstantin Goertz kennt sich aus, er hat sich intensiv mit dem Material und seiner Verarbeitung auseinandergesetzt.

 

Zusammen mit dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Martin Kuhlenkamp leitet der von der Studienstiftung des deutschen Volkes geförderte Stipendiat die freie Projektwerkstatt. „Ich helfe bei Problemen, alles andere erforschen die Studierenden hier selbst“, erklärt er. Ein Semester konnte Konstantin Goertz bereits Erfahrungen sammeln. Aus diesen verfasste er einen Leitfaden zum Drucken mit dem Werkstoff Ton. Es ist ein Lernen aus Fehlern. Zwar dauert es im Schnitt zehn bis 15 Minuten bis ein Objekt gedruckt ist. Doch auf dem Weg dahin kann vieles anders laufen als geplant. „Es dürfen keine Luftblasen, Klumpen oder gar Steinchen im Ton sein, das kann einen ganzen Druckvorgang ruinieren. Der Ton muss eine homogene Konsistenz aufweisen. Jeder Druck ist ein Abenteuer“, sagt der Masterstudent William Tessin, während er die schwere Kartusche mit dem frisch gekneteten Ton befüllt.

„Ich bin gespannt, ob es funktioniert, was ich vorhabe.“ Franziska Goertz, Bachelorstudentin im 5. Semester, ist heute an der Reihe, einen Druck durchzuführen. William Tessin hilft ihr. Jetzt hängen sie zusammen die gefüllte Kartusche mit einem Karabiner in den Drucker. Der erinnert ein wenig an eine Betonbombe, wie man sie von Baustellen kennt. Jetzt stecken sie den Chip in den Drucker, der die Informationen transportiert, die dem Drucker sagen, in welchen Bewegungen er den Ton aus der Spitze herauspressen soll. Es braucht ein paar Feinjustierungen und Testläufe, bis alles stimmt, vom Nullpunkt bis zur Druckgeschwindigkeit. Um die Konsistenz zu prüfen, lässt man sich vom Drucker den Ton in die Hand laufen.

Hundertprozentig biologisch abbaubar

Das überschüssige Material könnte man direkt wieder in die Kartusche geben. „Das finde ich daran besonders gut: So lange der Ton noch nicht gebrannt ist, kann man ihn endlos wiederverwerten, es entsteht im Grunde kein Abfall, im Gegensatz zum 3D-Druck mit Kunststoffen. Auch der gebrannte Ton ist hundertprozentig biologisch abbaubar“, erklärt Jonas Trippler, Masterstudent im 2. Semester, der neben der Technik die Einsatzmöglichkeiten des Tondrucks spannend findet: „Ich habe für mich herausgefunden, dass sich dieses Verfahren besonders für große und komplexe Strukturen eignet, vor allem solche, die von den Eigenschaften des Naturmaterials profitieren wie Häuserstrukturen und Wandmodule beispielsweise. Denn Ton verfügt über eine gute thermische Isolation und sorgt für ein gutes Raumklima.“ Entsprechend probiert sich Jonas Trippler räumliche Konstruktionen, die auch in der Programmierung der CAD-Software anspruchsvoll umzusetzen sind.

 

Genau darin liegt neben der Erfahrung mit dem Material Ton eine weitere Expertise, mit der sich die Studierenden in diesem Seminar auseinandersetzen. „Es ist eine sehr sensible Art des Druckens, man muss den 3D-Druck, ganz gleich mit welchem Material, verstehen, damit die Befehle richtig programmiert werden können“, erläutert Konstantin Goertz. Softwarelösungen namens „Grashopper“ und „Cura“ helfen als Schnittstelle zwischen dem Drucker und den CAD-Programmen, die gewünschte Geometrie in Fahrbefehle umzuwandeln. Das ist komplex – doch in der Praxis vielseitig anwendbar.

Die Zukunft des Tondrucks

Wie und wohin sich der Tondruck entwickeln wird, ist noch schwer voraussehbar. Da der Bedarf nach nachhaltigen Lösungen, allem voran in der Baubranche, die hohe CO2-Emissionen erzeugt, hoch ist, dürfte es noch Potential geben. Schon jetzt werden kleine Häuser im Tondruckverfahren hergestellt – auch mit geringen Kosten, was auch in der Diskussion um bezahlbaren Wohnraum in Zukunft eine Rolle spielen könnte. Auch im Bereich der Innenarchitektur und des Möbelbaus und schlussendlich überall dort, wo ohnehin bereits mit Ton gearbeitet wird, dürfte das 3D-Druckverfahren mit Ton Zukunft haben. Für die Studierenden lohnt sich die Beschäftigung so oder so: Das Eintauchen in die für diese Druckverfahren nötigen Programme schärft das Verständnis und bildet eine Expertise aus, die überall, wo CAD-Programme zum Einsatz kommen, nützlich ist. Darüber hinaus sind durch die Beschäftigung und das Experimentieren mit dem Material neue Möglichkeiten des Einsatzes zu erwarten.

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