Prof. Stefan Wölwer diskutiert in der "Karriereleiter" über Digitalisierung

Erscheinungsdatum: 05.09.2019

In Hildesheim findet die erste digitale Themenwoche statt: Die Karriereleiter. Vorträge und Diskussionen übertragen die Veranstaltenden per Livestream auf Facebook und Instagram. An der abschließenden Podiumsdiskussion am Freitag, 27. September zum Thema „Ist Hildesheim fit für die Digitalisierung“ nimmt auch Prof. Stefan Wölwer als Spezialist für Interaction Design von der Fakultät Gestaltung teil. Hier beantwortet er als Einstimmung Fragen zur Digitalisierung, die er als „exponentiell beschleunigten Kulturwandel“ versteht.

Alle reden über Digitalisierung, aber oftmals scheint eine Vorstellung davon zu fehlen, was damit gemeint ist. Wie definieren Sie diesen Prozess?

Hier handelt es sich um eine digitale Transformation, die sich grob in drei Phasen teilen lässt. Da ist zunächst die Computerisierung, durch die wir Personal Computer an jedem Arbeitsplatz und in allen Ecken unseres Privatlebens bekamen. Darauf folgte die Digitalisierung, in der beispielsweise die E-Mail den Brief ersetzt hat. Jetzt erleben wir als dritten Schritt eine umfassende Algorithmisierung – Amazon weiß schon jetzt, was wir zu Weihnachten verschenken wollen.

 

Anstrengend ist die Sache, weil alle drei Phasen gleichzeitig stattfinden. Auf der einen Seite sind unsere leistungsstarken Smart-Phones umfassend vernetzt, andererseits arbeiten Behörden und Schulen noch mit völlig veralteten Windows-Rechnern, die kein Internet kennen. Einerseits haben wir in der Medizin hochmoderne Bilderkennungsverfahren zur Krebsvorsorge, andererseits schicken Labore die Ergebnisse einer Blutuntersuchung weiterhin per Fax an die Ärzte. Und bei der Algorithmisierung bekommen wir es beispielsweise erst nicht mit, dass wir längst bewertet und eingeordnet werden, siehe Schufa-Auskunft, und staunen jetzt, was die Künstliche Intelligenz schon alles kann, ohne dass wir ausreichend darüber gesprochen hätten, ob wir das auch so wollen. Das, was wir da also „Digitalisierung“ nennen, ist in Wirklichkeit ein durch Algorithmen exponentiell beschleunigter Kulturwandel.

Wir nehmen den Titel der Podiumsdiskussion und fragen: „Ist Hildesheim fit für die Digitalisierung?“

Hildesheim sitzt nicht in der Jogging-Hose auf dem Sofa rum. Im Gegenteil, hier gibt es hervorragende Technologie-Unternehmen und -Agenturen und auch zwei akademische Institutionen, die Stiftung Universität Hildesheim und unsere HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen, an der wir ganz bewusst „Digitalisierung“ erforschen und gestalten. Aber – und da komme ich nochmal auf den allgemeinen „digitalen“ Bewegungsmangel – es ist noch nicht allen klar, dass sie selbst in die Hufe kommen müssen und Mini-Golf allein nicht reicht.

Warum sollte man überhaupt fit sein für Digitalisierung? Alle haben doch schon ein Handy?

Weil ich es gerade mit Metaphern habe: Das Handy wird zur Hundeleine, an der wir ausgeführt werden, wenn wir uns nicht endlich mehr mit der digitalen Transformation auseinandersetzen. Das ist anstrengend, macht aber im Team durchaus Spaß und führt dazu, dass wir verstehen, was da aus dem Silicon Valley auf uns zukommt.

Was erwarten wir von der Digitalisierung? Was soll besser werden?

Manchmal habe ich den Eindruck, dass viele von uns in der „Digitalisierung“ eine Naturgewalt sehen, auf die wir keinen Einfluss haben. Die bringt dann entweder Sonne und eine gute Ernte oder Sturm und Chaos. Dabei ist sie ein Gewächshaus, das wir selbst bauen und dessen Dünger, nämlich unsere Daten, wir gerne und viel verteilen. Das kann durchaus sinnvoll sein, sofern uns bewusst ist, was wir da machen. Dazu aber benötigt es Bildung und Diskussion. Da müssen wir noch besser werden. Passt unser klassisches Schulsystem noch zur digitalen Transformation? Sind unsere Firmenkulturen noch richtig aufgestellt?

Die wichtigste Frage zum Schluss: Welche Rolle spielt Design bei der Digitalisierung?

Eine sehr große, denn die „Digitalisierung“ ist eine Gestaltungsaufgabe! Und gerade das Interaction Design bildet hier die wichtigen Schnittstellen zu Technologie und Gesellschaft, indem wir einerseits Technologie kreativ einsetzen und andererseits genau hinschauen, was den Menschen wirklich weiterhilft. Design in diesem Sinne ist dann keine künstlerische Dekoration, sondern eine aktive Säule der Digitalen Transformation. Design ist Interaktion mit der Zukunft!

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