Börsennotiert oder nicht börsennotiert - Studie zu Preisunterschieden

Erscheinungsdatum: 10.06.2020

Studie zu der Frage: In welchen Marktphasen können Investoren Gewinne durch die Nutzung von Preisunterschieden zwischen börsennotierten Immobilien-Unternehmen und nicht-börsennotierten Immobilienfonds realisieren?

Ein Team der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst am Standort Holzminden hat unter der Leitung von Prof. Dr. Wilhelm Breuer und Verw.-Prof. Christopher Jäger in Zusammenarbeit mit der DVFA-Kommission Immobilien DVFA e.V., dem Berufsverband der Investment Professionals, eine Studie zu der Frage erstellt, in welchen Marktphasen Arbitrage zwischen börsennotierten Immobilien-Unternehmen und nicht-börsennotierten Immobilienfonds für institutionelle Investoren möglich ist.

Der Begriff Arbitrage beinhaltet das Abschöpfen von Gewinnen durch die Nutzung von Preisunterschieden bei Assets in verschiedenen Märkten. Übertragen auf börsennotierte und nicht-börsennotierte Immobilienbestände beschreibt dies den Sachverhalt, dass durch die Umwandlung von börsennotierten Immobilienbeständen in nicht-börsennotierte und umgekehrt Gewinne erzielt werden können. Arbitrage zwischen börsennotierten und nicht-börsennotierten Immobilienbeständen ist grundsätzlich durch zwei Varianten möglich:

  • zum einen durch ein De-Listing bzw. Umwandlung einer börsennotierten Immobilien-Unternehmen hin zu einem Immobilien-Spezialfonds;
  • zum anderen durch ein Listing bzw. IPO bzw. Spin-off eines Immobilien-Spezialfonds hin zu einem börsennotierten Immobilien-Unternehmen.
 

Dazu hat das HAWK-Team jeweils die Total-Return-Zeitreihen von börsennotierten und nicht-börsennotierten Beständen im gleichen Zeitraum miteinander verglichen. Als Total-Return-Zeitreihe für börsennotierte europäische Immobilien-Unternehmen diente der FTSE EPRA NAREIT Developed Europe Office Index und als Total-Return-Zeitreihe für nicht-börsennotierte Bestände INREV-Daten von Immobilien-Spezialfonds mit einem vergleichbaren regionalen und sektoralen Investmentfokus. Der Betrachtungszeitraum umfasst die Perioden vom 1. Quartal 2007 bis zum 3. Quartal 2018.

Das HAWK-Team untersuchte die Datenreihen dabei sowohl auf nicht-risikoadjustierte, als auch auf risiko-adjustierte Arbitrage. Die risikoadjustierte Betrachtung erfolgt anhand einer modifizierten Sharpe-Ratio, zum einen basierend auf einer prognostizierten Arbitrage-Zeitreihe und zum anderen auf einer Arbitrage-Zeitreihe, ergänzt um eine (vermeintlich) risikolose Anlagealternative. Beide prognostizierten Arbitrage-Zeitreihen werden ins Verhältnis zum „Mehr“ an Risiko als Differenz aus den jeweiligen Streuungen gesetzt. Dabei sind für die positiven oder negativen Ausprägungen der modifizierten Sharpe-Ratios lediglich die prognostizierte Arbitrage-Zeitreihe bzw. die prognostizierte Arbitrage-Zeitreihe, ergänzt um eine (vermeintlich) risikolose Anlagealternative, verantwortlich, da sich das Risiko von EPRA stets oberhalb des Risikos von INREV befindet.

Dabei wird aus analytischen Gründen bewusst in dieser Studie von rechtlichen und betrieblichen Restriktionen und Transaktionskosten der jeweiligen Umwandlung abstrahiert.

In den folgenden drei Zeiträumen sind negative modifizierte Sharpe-Ratios identifizierbar – in diesen Zeiträumen können also durch Investments in Immobilien-Spezialfonds bzw. durch De-Listing bzw. Umwandlung börsennotierter Immobilien-Unternehmen zu Immobilien-Spezialfonds Arbitragen gegenüber börsennotierten Immobilien-Unternehmen erwartet werden (Abb. 1):

  • im Zeitraum 4. Quartal 2007 bis zum 2. Quartal 2009 (A1) die Finanzkrise und als Ende der darauffolgende rapide Verfall des Leitzinses;
  • im Zeitraum 3. Quartal 2011 bis 2. Quartal 2012 (A2) die dann wieder kurzfristig ansteigenden Leitzinsen, die erhöhte Nachfrage nach risikoärmeren bzw. (vermeintlich) risikolosen Anlagealternativen, die Mehrung von Meldungen hinsichtlich fiskalischer Staatenkrisen im Euroraum, die Verabschiedung des zweiten Rettungspaketes für Griechenland (inkl. Schuldenschnitt) und erneut als Ende der fallende Leitzins;
  • im Zeitraum 1. Quartal 2016_01 bis 1. Quartal 2017 (A3) die Auswirkungen des Beginns des zweiten Anleihekaufprogramms von der Europäischen Zentralbank und des dritten Rettungspaketes für Griechenland und die Entscheidung des Vereinigten Königreiches über den Austritt aus der Europäischen Union (Brexit).

Umgekehrt sind in den folgenden drei Zeiträumen positive modifizierte Sharpe-Ratios identifizierbar – in diesen Zeiträumen können also durch Investments in börsennotierte Immobilien-Unternehmen bzw. durch Listing bzw. IPO bzw. Spin-off von Immobilien-Spezialfonds zu börsennotierten Immobilien-Unternehmen Arbitragen gegenüber Immobilien-Spezialfonds erwartet werden (Abb. 1):

  • im Zeitraum 3. Quartal 2009 bis 2. Quartal 2011 (B1) die Erholung der Finanzmärkte nach der Finanzkrise, der leichte Dämpfer durch das erste Rettungspaket für Griechenland und als Ende die Reaktorkatastrophe in Fukushima mit gleichzeitiger etwaiger Stützung durch die Börsennotierungen der GSW Immobilien AG und der Prime Office AG;
  • im Zeitraum 3. Quartal 2012 bis 4. Quartal 2015 (B2) sowohl das durch die Europäische Zentralbank mit der kompromisslosen Eurorettung (Draghi, 27.06.2012: „Whatever it takes!“) initiierte kapitalmarktfreundliche Umfeld mit stetig steigendem Euro-Stoxx 50 und fallendem Leitzins, die daraus resultierenden zahlreichen IPOs von Immobilien-Unternehmen (z. B. Grand City Properties S.A. und LEG Immobilien AG) und der Zusammenschluss der Deutschen Annington Immobilien AG und der Gagfah S.A. zur Vonovia SE, als auch der leichte Dämpfer durch einen Anstieg der Verzinsung der (vermeintlich) risikolosen Anlagealternative;
  • im Zeitraum 2. Quartal 2017 bis 3. Quartal 2018 (B3) sowohl die Erholung der Kapitalmärkte nach den tendenziell negativen exogenen Einflüssen des Zeitraums A3 (Griechenland, Anleihekaufprogramm und Brexit-Referendum), als auch die Verunsicherungen bzgl. der Nachfolge bei der Europäischen Zentralbank und der damit einhergehenden geldpolitischen Ausrichtung und das erneute leichte Ansteigen der Verzinsung der (vermeintlich) risikolosen Anlagealternative.

Aufgrund der Aktienmarktorientierung werden folglich börsennotierte Immobilien-Unternehmen beifallenden Aktienkursen (negative modifizierte Sharpe-Ratios) mittels erhöhter Investor-Relations-Aktivitäten (Abbau von Informationsasymmetrien) noch stärker auf die Langfristigkeit der Immobilienanlage sowie auf die Chancen von künftig steigenden Aktienkursen verweisen. Gleichzeitig böte sich bei fallenden Aktienkursen ein De-Listing bzw. Umwandlung zu einem Immobilien-Spezialfonds an, um von den Arbitragen zugunsten dieser Assetklasse zu partizipieren (Abb. 2).

Immobilien-Spezialfonds werden bei steigenden Aktienkursen (positive modifizierte Sharpe-Ratios) auf eine kapitalmarktnahe Bewertung der Fondsanteile (Reduzierung des Time-Lags bei der Bewertung der Net Asset Values) hinwirken, damit hieraus eine faire Bepreisung der Fondsanteile ausgelöst wird. Andererseits böte sich in diesen Marktphasen ein Listing bzw. IPO bzw. Spin-off zu einem börsennotierten Immobilien-Unternehmen an, um von den Arbitragen zugunsten dieser Assetklasse zu partizipieren (Abb. 2).

Im aktuellen Marktumfeld im Kontext der COVID-19-Pandemie ist aufgrund der Kürze des Zeitraums keine eindeutige Tendenz ausweisbar. Da ein starker Verfall der Aktienkurse im März 2020 durch eine relativ rasche Erholung bis Ende Mai 2020 abgelöst wurde, kann (noch) nicht von einem strukturellen Wandel des Marktumfeldes, weder in die eine noch in die andere Richtung, ausgegangen werden.

Prof. Dr. Wilhelm Breuer und Verw.-Prof. Christopher Jäger lehren im Bereich Immobilienmanagement an der HAWK-Fakultät Management, Soziale Arbeit, Bauen am HAWK-Standort Holzminden.

 

Arbitrage Management Summary

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06/2020

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