Forschungsprojekt JoNi untersuchte Jobcoaching am Arbeitsplatz für Menschen mit
Laut der aktuellen Arbeitsmarktstudie der Aktion Mensch und des Handelsblatt Research Institutes lag die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderung 2024 bei fast 12 Prozent und damit etwa doppelt so hoch wie die allgemeine Arbeitslosenquote – Tendenz steigend. Im Oktober 2025 waren 185.400 Menschen mit Behinderung arbeitslos, knapp 5 Prozent mehr als im Oktober 2024. Dabei gehen mit Arbeitslosigkeit nicht nur finanzielle, sondern auch soziale und psychische Nachteile einher.
„Arbeit gibt Sinn, Struktur, soziale Kontakte und Anerkennung“, betont Minister Philippi in seinem Grußwort zum Auftakt der Tagung. Darum sei eine gleichberechtigte Teilhabe an Ausbildung und Arbeit so wichtig. In Niedersachsen habe man die Ergebnisse der bundesweiten Studie JADE – Jobcoaching zur Arbeitsplatzsicherung Analysieren, Definieren und Evaluieren der HAWK im Jahr 2020 zum Anlass genommen, Jobcoaching mit seinen Chancen und Möglichkeiten landesweit auszubauen. „Individuelles Jobcoaching ist ein wichtiger Baustein für eine inklusive, zukunftsfähige Arbeitswelt“, so Philippi.
Auch Annetraud Grote, Niedersächsische Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung, sieht ein großes Potenzial in Jobcoaching am Arbeitsplatz. Fast 17.000 Unternehmen in Niedersachsen seien verpflichtet, mindestens 5 Prozent ihrer Stellen an Menschen mit Schwerbehinderung zu vergeben. Doch weniger als die Hälfte erfüllten diese Quote. Oft fehlten dabei Kenntnisse von Unterstützungsangeboten. „Der Ansatz, Menschen in ihrem Betrieb zu begleiten, ist ganz großartig“, findet Grote. Zum Beispiel weil sowohl Arbeitgebende als auch Beschäftigte von einer verbesserten Kommunikation berichteten. „Davon haben alle etwas: Beschäftigte, Arbeitgebende und Arbeitssuchende, die auf weniger Vorurteile stoßen.“
Seit 2021 arbeitete eine vom Integrationsamt eingesetzte Projektgruppe von Fachkräften der Integrationsfachdienste (IFD) an der Konzeptionierung und Umsetzung von Jobcoaching am Arbeitsplatz in Niedersachsen. Vorher gab es noch keine Standards für Jobcoaching und die Maßnahme wurde nur vereinzelt angeboten. Inzwischen gibt es in Niedersachsen eine Koordinierungsstelle für alle mit JobcoachingAP zusammenhängenden Aufgaben, einen Jobcoach*innen-Pool, in dem qualifizierte Coach*innen registriert sind, ein Handbuch für IFD-Fachkräfte und ein standardisiertes Falldokument zur Dokumentation des JobcoachingAP-Prozesses. Die HAWK hat die Konzeptionierung und Einführung dieser Neuerungen mit dem Forschungsprojekt „Jobcoaching für Niedersachsen – Machbarkeitsstudie“ (JoNiMa) begleitet.
Mit JoNi widmeten sich die Wissenschaftler*innen anschließend den Ergebnissen und der Nachhaltigkeit der Maßnahme. Durch Interviews mit gecoachten Personen, ihren Vorgesetzten, Jobcoach*innen und IFD-Fachkräften erfassten sie die Perspektiven auf den JobcoachingAP-Prozess und die hiermit erzielten Veränderungen. Die Analyse der Falldokumentationen ermöglichte Aussagen über aufgestellte Ziele und inwieweit diese erreicht wurden. Mit Telefonbefragungen der begleitenden Integrationsfachdienste Monate nach der Beendigung des JobcoachingAP konnte das Forschungsteam Aussagen über die Nachhaltigkeit der Maßnahme erarbeiten.
Die Ergebnisse zeigen den Erfolg der Maßnahme: Rund 66 Prozent der gecoachten Personen gaben nach Ablauf des JobcoachingAP-Prozesses an, ihre Ziele vollständig oder teilweise erreicht zu haben. Bei den Vorgesetzten zeigte sich durch ein besseres Wissen über die Behinderung auch ein größeres Verständnis für die Personen mit Schwerbehinderung. Nach 59 der bereits abgeschlossenen JobcoachingAP Prozessen wurde das Arbeitsverhältniss fortgesetzt, bei 10 beendet und zu 3 Fällen kann keine Aussage getroffen werden.
„Unsere wichtigste Botschaft ist: Die Arbeit mit den Coachees ist zentral, reicht aber alleine nicht aus“, erläutert Projektleiterin Prof. Dr. Ulrike Marotzki. „Die Kolleg*innen und die Arbeitssituation sind ebenso wichtig für einen erfolgreichen und nachhaltigen JobcoachingAP-Prozess.“ Für sie sei das Projekt zudem ein gelungenes Beispiel einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis.
Das betont auch HAWK-Vizepräsidentin Prof. Katja Scholz-Bürig. Das Projekt zeige, dass mit wissenschaftsbasierter Herangehensweise Inklusionsmaßnahmen evaluiert und auf dieser Basis stetig zielgerichtet verbessert werden können. Häufig würden Menschen den Nutzen derartiger Studien hinterfragen, so Scholz-Bürig. „Ich rufe Sie auf: Nutzen Sie die Wissenschaft, um Ihre Positionen zu stärken, besonders in Zeiten knapper werdender Ressourcen. Die Wissenschaft liefert Ihnen die nachprüfbaren Fakten und damit die Argumente für eine nachhaltige Implementierung.“
Weitere Informationen zum Forschungsprojekt unter: jobcoaching-ap.hawk.de