Erscheinungsdatum: 28.05.2009

<P>120 Teilnehmer/innen aus acht Ländern in Hildesheim zu Gast / Prof. Dr. des. Nicole Riedl folgt Prof. Dr. Ivo Hammer in der Leitung der Studienrichtung<BR></P>

Das Fachkolloquium „Niemals Oberflächlich!“ hat rund 120 Gäste für einen Tag nach Hildesheim gelockt. Das feed back der Gäste war sehr positiv und betraf sowohl die Vorträge selbst, als auch die Auswahl der Vorträge und die Organisation der Tagung. Der Vortrag von Markus Eiden ist bereits als Volltext auf der Website des Hornemann Instituts publiziert, andere werden demnächst folgen.

Gleich zu Anfang machten die beiden Organisatorinnen, Dipl. Rest. Anneli Ellesat M.A. von der Studienrichtung Konservierung und Restaurierung von Wandmalerei/Architekturoberfläche und Dr. Angela Weyer vom Hornemann Institut, deutlich, dass das Kolloquium anlässlich der Verabschiedung von Prof. Dr. Ivo Hammer stattfindet, aber neben der Trauer des Abschieds auch die Freude über die Neuberufung von Nicole Riedl und der Dank an Jürgen Pursche für die erfolgreiche Interimslösung trete. Die Auswahl der Redner/innen und Moderator/innen sei ihnen schwer gefallen, denn es wären viele Wissenschaftler/innen in Frage gekommen. Man habe die Vielfalt der Projekte und des Engagements von Ivo Hammer zeigen und zugleich die elf Jahre seines Wirkens widerspiegeln wollen. So sprachen nach Nicole Riedl drei sehr langjährige wissenschaftliche Weggefährten von Ivo Hammer, am Nachmittag - eingeleitet von seinem eigenen Rückblick - drei Jung-Wissenschaftler/innen aus dem Kreise seiner Studierenden.

Nicole Riedl stellte ein neues Forschungsprojekt mit vielen hochkarätigen Partnern vor, in dem es um die präventive Konservierung bemalter römischer Außenputze in situ an der Konstantinischen Palastaula in Trier gehen wird. Nach einer Jahrhunderte langen Zumauerung sind sie seit dem 19. Jahrhundert wieder der freien Bewitterung ausgesetzt. Seit Dezember 2008 wird ihr klimatisches Umfeld detailliert gemessen, des Weiteren ist noch die Erfassung des Bestandes und Zustandes mit Hilfe von fotografischen und grafischen Medien geplant. Ergänzend werden technologische Besonderheiten beschrieben, die Restaurierungsgeschichte aufgearbeitet und Materialanalysen durchgeführt. Die Ergebnisse werden 2011 in einem internationalen Kolloquium einem breiten Fachpublikum präsentiert und intensiv diskutiert.

Im Mittelpunkt des Beitrages von Prof. Dr. Thomas Danzl von der HfBK Dresden stand der Zyklus von Fassadenmalereien (ca. 1585) von Schloss Parz in Oberösterreich, dessen Konservierung und Restaurierung in den 80er Jahren drei der Redner zusammenführte: Ivo Hammer, Thomas Danzl und Mauro Matteini. Danzl machte deutlich, dass in Parz der seit den siebziger Jahren zunehmend in den Vordergrund rückende Ansatz, statt organischer Festigungsmittel anorganische bzw. mineralische Festigungsalternativen zu nutzen, wie Wasserglas, KSE und später die Florentiner Methode der kombinierten Anwendung von Ammoniumkarbonat und Bariumhydroxid, konsequent umgesetzt wurde. Die Frage der ästhetischen Präsentation wurde dort zu Gunsten einer „aqua sporca“ bzw. „tratteggio“- Retusche entschieden.

Prof. Dr. Mauro Matteini aus Florenz referierte zu innovativen Perspektiven in der Wandmalereikonservierung, in dem er den Bogen der verschiedenen methodischen Ansätze in der Konservierung/Restaurierung von den 1960er Jahren bis heute spannte.
Dabei stelle er u. a. die bekannte Florentiner Barium-Methode zur Gipsumwandlung vor. Der Schwerpunkt seiner Ausführungen lag auf Maßnahmen der präventiven Konservierung, bei denen dem Außenklima ausgesetzte Oberflächen witterungsresistente Schutzschichten aus Calciumoxalat und neuerdings auch Calciumphosphat erhalten.

Jürgen Pursche, der seit März 2008 die Studienrichtung Wandmalerei/Architekturoberfläche in Hildesheim verwaltete, sprach zu einem sehr aktuellen Projekt, der Konservierung der Wandmalereien in den ehemaligen Fugger´schen Sammlungskabinette in Augsburg, eines der frühesten Beispiele von Wandmalerei mit Groteskendekoration im Stil der italienischen Renaissance nördlich der Alpen, entstanden unter Mitwirkung italienischer Künstler. Der fragmentarische Erhaltungszustand der architekturbezogenen Wandmalereien mit illusionistischen ausblicken in gemalte Landschaften, ist vor allem auf starke Schäden im 2. Weltkrieg zurückzuführen. Um den Raumeindruck wieder nachvollziehbar zu gestalten, wurden verlorene bzw. stark reduzierte gemalte Architekturelemente und Landschaftsszenen in Strich-Retusche rekonstruiert, auf der Grundlage einer sehr guten Fotodokumentation der Vorkriegszeit.

Ivo Hammer ließ seine elfjährige Lehr- und Forschungstätigkeit in Hildesheim Revue passieren und formulierte dabei seine persönlichen Schwerpunkte. Die von ihm gewünschte Umbenennung der Studienrichtung in „Wandmalerei/Architekturoberfläche“ blieb bis zuletzt ein Alleinstellungsmerkmal der Hildesheimer Fachhochschule und verdeutlicht seine Grundeinstellung: Demnach ist Wandmalerei weder technologisch noch ästhetisch autonom, sondern ein Spezialfall von Architekturoberfläche. Ivo Hammer ist nicht allein die Farbigkeit von Architektur wichtig, sondern insgesamt die Materialität der Oberfläche und ihres Trägers. Restauratoren hätten nicht nur im engeren Sinn konservatorisch/restauratorische
Kenntnisse zu erforschen und vermitteln, sondern auch historische Traditionen der handwerklichen Reparatur und Pflege. Die Auseinandersetzung und interdisziplinäre Kooperation mit anderen an der Erhaltung und Instandsetzung von historischer Architektur beteiligten wissenschaftlichen, technischen und handwerklichen Berufszweigen muss deshalb wesentlicher Teil der Ausbildung sein. Bei seinen Projekten (insgesamt 66 Baustellen in fast allen Bundesländern und in England, Tschechien, Polen, Italien, Österreich und der Schweiz) sei ihm die Teamarbeit von Studierenden, Lehrenden, Partnern aus der Denkmalpflege und den Eigentümern immer sehr wichtig gewesen.
Methodisch didaktisch war es ihm ein besonderes Anliegen, die Studierenden zu selbständigem Denken und Arbeiten anzuregen. Denn das soziale und politische Umfeld der Berufspraxis brauche nicht nur Kompetenz und Verantwortungsbewusstsein, sondern auch Widerständigkeit und Durchsetzungsvermögen für die kulturellen Ziele des Berufs der Konservierung/Restaurierung. In seinen Lehrjahren haben 85 Studierende in der Studienrichtung das Studium abgeschlossen,

Einen interessanten Einblick in die französische Denkmalpflege und die dortige restauratorische Praxis ermöglichte Elodie Rossel, eine der letzten Diplomandinnen von Ivo Hammer. Als Beispiel dienten ihr dazu die Wandmalereien der Dorfkirche in Cravans, Charente-Maritimes, Frankreich. Auf der Innenseite der Ostwand zeigten sich dort zwei übereinanderliegende Malereien aus dem 17. wie auch aus dem 18. Jahrhundert, die nach einer „kleinen“ Befundsicherung – ihrem Erhaltungszustand und dem Wunsch der Kirchengemeinde entsprechend - nebeneinander freigelegt und konserviert wurden.

Ein Plädoyer für eine kontinuierliche und hochqualifizierte Ausbildung in Maltechnik und historischer Werkstofftechnologie für angehende akademische Restauratoren hielt der Hammer-Schüler Markus Eiden, der seit mehreren Jahren diese Fächer an Hochschulen unterrichtet. Das Verständnis des Restaurators um die ästhetische und historische Bedeutung der Kunstwerke sei auch an deren materielle und technologische Dimension gebunden und müsste auch während des Hochschulstudiums angemessen sinnlich erfahren werden. Die lebhafte Diskussion im Anschluss an den Vortrag lässt vermuten, dass dieser Beitrag zumindest noch in Hildesheim sehr angeregt diskutiert werden wird. Der Volltext steht hier für Sie zum Download bereit.

Stefanie Lindemeier, die erste Hildesheimer Wandmalerei-Restauratorin, die in Dresden promovierte, referierte aus ihrer Doktorarbeit zur Restaurierungsmethode mittelalterlicher Wandmalereien in Niedersachsen zwischen 1900 und 1939, die sich in diesen Jahrzehnten aufgrund von denkmalpflegerischen Entwicklungen, Sensibilisierung der Öffentlichkeit und Kompromissfindungen veränderte. Anstelle der im 19. Jahrhundert gängigen Praxis umfangreicher Übermalungen und Rekonstruktionen, die eine möglichst große Annäherung an einen hypothetischen ursprünglichen, lückenlosen Malereibestand zum Ziel hatte, trat damals der Versuch, den mittelalterlichen Malereibestand mit seinen Alterungsspuren und Verlusten zu erhalten, aber optisch zu schließen. Die Qualität ihrer Umsetzung beruhte auf Kompetenz und Überzeugungsfähigkeit der Denkmalpfleger, auf Kompromissbereitschaft der Eigentümer und nicht zuletzt auch auf Kenntnisstand und Sorgfalt der Kirchenmaler und Restauratoren, letztere bei den untersuchten Objekten ausschließlich männlichen Geschlechts.

Die abschließende Vorstellung des jüngsten Buchprojektes MATERIALITY war auch die Vorstellung des letzten großen Projektes Ivo Hammers mit seinen Studierenden und dem Hornemann Institut. Grußworte sprachen sowohl Daniela Hammer-Tugendhat, die sich seit Jahren für eine qualitätvolle Restaurierung ihres Elternhauses einsetzt, sowie Iveta Cerna, die Kuratorin des Brünner Hauses und Mitherausgeberin des Buches mit den Vorträgen der Internationalen Tagung zur Materialität der Oberflächen der Architektur des Neuen Bauens in Brünn. Ihrem großen Engagement für das Haus Tugendhat zollten die beiden abschließenden Redner, Prof. Dr. Gerdi Maierbacher-Legl und Prof. Dr. Ivo Hammer, sehr hohen Respekt, denn Iveta Cerna förderte auch sehr die Arbeit der Hildesheimer Studierenden der beiden Studienrichtungen Konservierung von Möbeln und Holzobjekten sowie Wandmalerei/Architekturoberfläche in Brünn in den Jahren 2003 bis 2006.

Moderiert wurden die Vorträge von Prof. Dr. Ursula Schädler-Saub, HAWK, und Honor. Prof. Dr. Erwin Stadlbauer, Nieders. Landesamt für Denkmalpflege.

120 Teilnehmer/innen aus acht Ländern in Hildesheim zu Gast/ Prof. Dr. des. Nicole Riedl folgt Prof. Dr. Ivo Hammer in der Leitung der Studienrichtung

Blick in den Hörsaal des Fachkolloquiums Niemals Oberflächlich Blick in den Hörsaal des Fachkolloquiums Niemals Oberflächlich