Restaurator Edgar Pill von der Nicolaus Copernicus Universität in Torun ist für drei Tage angereist, um den Studierenden und den Fachkollegen am Institut für Restaurierung der Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen eine seltene Kunst nahe zu bringen, die Rekonstruktion von beschädigten oder zerstörten Wandgemälden, deren ursprüngliches Bild nicht bekannt ist.
Restauratoren belassen die historischen Objekte üblicherweise im Originalzustand, wenn ihnen das vorbild für die zerstörten Teile fehlt: "Wenn ein Arm ab ist, bleibt er ab." Für die Statue im Museum ist das die beste Lösung. Es ist sinnvoller, nichts zu tun, als das Falsche zu tun. Edgar Pill hingegen ergänzt mit Qualität. Das ist besonders bei Kultobjekten in Kirchen wie auch bei stadtbildprägenden Baudenkmälern gefragt.
Pill recherchiert oft jahrelang europaweit in Archiven und an verwandten Kunstgegenständen, bevor er sich an die Arbeit macht. In Torun hat er die Fassadengemälde des Copernikus-Museums restauriert, in Danzig wurden die Holzvertäfelungen des Uphagen-Hauses, eines Patriziergebäudes vom Anfang des 18. Jahrhunderts, neu bemalt. Das Uphagen-Haus war im Zweiten Weltkrieg komplett zerstört worden, bis Ende der neunziger Jahre wurde es im Originalstil wieder aufgebaut und ausgestattet. Jahr für Jahr nahm Pill sich einen der Räume, zum Beispiel den chinesischen Tee-Raum oder das Raucherzimmer, vor und schuf die Wandbilder mit moderner Technik neu. Seine kleine Ausstellung für die Studenten der Restaurierung vermittelte einen lebendigen Eindruck von der Farbenfreudigkeit und Feinfühligkeit seiner Kunst, die sich an wenigen unscharfen Schwarz-Weiß-Fotos aus der Zeit vor der Zerstörung des Hauses orientieren musste.
"Neokreation in der Restaurierung" hieß Pills Fachvortrag in der Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen. Am Wochenende leitete er einen Tag lang einen Workshop für die Studierenden. "Was wir hier geboten bekommen, ist eine ganz seltene und spezielle Geschichte", erklärt Professor Jan Schubert, auf dessen Einladung der Besuch zustande kam. "Man muss sich als genialer Fälscher einfühlen in das, was für das Gesamtbild richtig ist."
Edgar Pill stammt aus Estland, in Tallin hat er bis 1974 an der Kunstakademie Architektur und Malerei studiert, danach an der Nicolaus Copernicus Universität im polnischen Torun das Fach Restaurierung. Zwei Jahre nach seinem Magister-Abschluss kam er als Dozent an die Universität zurück. Seine Frau Alexandra, eine frühere Studienkollegin, leitet die gemeinsame Restaurierungsfirma. Seit 20 Jahren arbeiten beide an Restaurierungsaufträgen in Polen und im Ausland.
"Die drei polnischen Hochschulen für Restaurierung sind weltweit die ältesten", berichtet Professor Jan Schubert, der Hildesheimer Spezialist für Steinrestaurierung. "Wir pflegen sehr gute Beziehungen zueinander; seit drei Jahren gibt es die Partnerschaft zwischen unserem Hildesheimer Fachbereich Gestaltung und der Fakultät für Bildende Künste an der Universität in Torun. Wir in Hildesheim sind technisch sehr gut ausgerüstet für die Untersuchung von Objekten. Wir sind als Partner durchaus von Interesse für die polnischen Universitäten, an denen die höhere Ausbildung zum Magister erfolgt."