Die „Ökosystemleistungen urbaner Wälder“ sind Schwerpunkt der HAWK-Herbsttagung

Erscheinungsdatum: 02.12.2022

Draußen an den Bäumen blickt man auf rote und gelbe Blätter. Drinnen, im Hörsaal, geht es um die aktuelle Bedeutung von Grün in der Stadt und von Stadtbäumen. Rund einhundert Expert*innen aus ganz Deutschland sowie Studierende der HAWK-Fakultät Ressourcenmanagement konferieren zwei Tage zu diesem aktuellen Thema. Sie fokussieren dabei zum einen die richtungsweisenden Forschungsthemen als auch die Kenntnisse aus Studium und Praxis auf urban-forstlicher und sozialwissenschaftlicher Ebene.

Viele Stadtbewohnenden wünschen sich Grün in ihrer Nähe und das ist kein Wunder: Menschen nehmen Pflanzen und Bäume visuell bejahend wahr und auch scheinbare Nebensächlichkeiten wie die Wohlgerüche an einem Sommertag im Stadtpark unterstützen nachweislich das persönliche Befinden. Auch die positive Auswirkung städtischen Grüns auf die menschliche Gesundheit durch die Reduktion von „Luftverschmutzung“, die Minderung von Lärm und Bindung von Feinstaub, Regulierung des Klimas und die Kühlung an heißen Tagen sind erwiesen.

 

Grün hat also einen besonderen Einfluss auf die Lebensqualität. „Es wirkt entlastend und wird positiv wahrgenommen“, so Tagungs-Referentin Dr. Anja Starick, Leiterin des Umwelt- und Gartenamts in Kassel. Gleichzeitig ist die Begrünung von Städten mit vielen Herausforderungen verbunden. Häufig ist es schwierig, überhaupt begrünbare Flächen zu finden oder Stadtbäume im Sommer vor dem Tod durch „Hitzestress“ zu bewahren.

Die Tagung mit dem Fokus auf Ökosystemleistungen – Vorteile, die Menschen von Ökosystemen beziehen und damit grundsätzliche Bedürfnisse decken können – findet anlässlich des Jubiläums statt: Den Masterstudiengang „Urbanes Baum- und Waldmanagement“ (UBWM) gibt es nun seit fünf Jahren an der Fakultät Ressourcenmanagement. Er vereint die Schwerpunkte Stadtwald und urbanes Grün mit dem zentralen Thema der Kommunikation, denn das Entwickeln und Umsetzen zukunftsrelevanter Entscheidungen setzt hier immer den konstruktiven Dialog zwischen Expert*innen, Bürger*innen und politischen Entscheidungsträger*innen voraus.

Das Ziel: Ein gesundes und gesundheitsförderliches Stadtklima

Die Tagung gibt Raum für interdisziplinären Austausch und Diskussion – zwischen Bürgermeister und Förster*innen, Soziologin und Studierenden. Norbert Bösken ist der operative Leiter für Waldungen und Baumpflege der Stadt Essen. Er sieht im Schutz der Natur und gleichzeitigem Schutz vor Naturgefahren eine große Herausforderung. „Da steckt eine Menge Energie hinter, um diese Aufgaben bewältigen zu können“, betont er. Bösken referiert über das Leuchtturmprojekt „BaumAdapt“ der Stadt Essen: Hier steht die Veränderung des urbanen Baumbestandes im Fokus. Ein neues Konzept soll die Standort- und Artenwahl an die Auswirkungen des Klimawandels anpassen. Das Ziel ist, dass sich jene Stadtbäume etablieren können, die eine hohe Vitalität und Widerstandskraft haben, ein hohes Alter erreichen und somit lange für ein gesundes Stadtklima sorgen können.

Stephanie Bethmann, Fachbereichsleiterin Gesellschaftlicher Wandel, Forstliche Versuchsanstalt Baden Württemberg, betrachtet das Thema urbane Wälder aus einer soziologischen Perspektive: Sie beschäftigt sich mit dem wachsenden Bedürfnis der städtischen Bevölkerung nach Aufenthalten im Wald und den daraus resultierenden Missverständnissen zwischen Förster*innen und Waldbesuchenden. Laut ihren Studien bauen die Waldbesuchenden schnell eine emotionale Beziehung zum Wald auf, sie nehmen den Wald als „ihr Wohnzimmer“ wahr. Was für manche Förster*innen erst einmal absurd klingen mag, scheint in der allgemeinen Bevölkerung selbstverständlich. „Liebgewonnene Vorurteile gegenüber der anderen Gruppe erschweren den Dialog“, so die Soziologin. Es benötigt demnach eine gute Kommunikation, um die unterschiedlichen Sichtweisen zu erkennen und Brücken zu bauen. Ein Thema, auf das auch die Studiengangsabsolventin Carla Paul zu sprechen kommen wird.

Ein weiteres Beispiel aus der Praxis zeigt Robert Schwindt. Als Unternehmenssprecher der EBR-Immobilien spricht er über grünes Bauen und die Vision, gesunde Lebensräume zu schaffen. Anhand verschiedener Beispiele zeigt der Unternehmer, wie ganze Gebäude zu einem Wald werden können. Schwindt und sein Team begrünen Fassaden nicht nur im klassischen Stil, sondern lassen sogar Bäume senkrecht an Gebäuden und auf Hausdächern wachsen – ein sogenannter „Bosco Vertikale“ entsteht. Unter dem Hashtag #zukunftneudenken nimmt er die Zuhörenden mit in eine Welt der Architektur, in der urbanes Grün eine zentrale Rolle spielt. Aus dem Publikum kommen Forderungen nach einer architektonischen Revolution im Bereich des grünen Bauens und Robert Schwindt erklärt: „Am Kaufpark in Göttingen planen wir gerade einen Bosco Vertikale. Zurzeit ist das für den Standort Göttingen allerdings erstmal nur als Pionierprojekt einzuordnen.“

Ein grüner Masterstudiengang mit dem Schwerpunkt Stadt – lohnt das?

Dieser Frage stellt sich die Podiumsdiskussion mit ehemaligen und aktiven Studiderenden des Jubiläum-Studiengangs. Die Berufswege der fünf Beteiligten sind vielfältig: Während Benjamin Klask sein Masterstudium in Göttingen mit dem Job des Revierförsters in Solingen unter einen Hut bringt, hat Sarah Pilz ihren Abschluss seit drei Wochen in der Tasche und arbeitet für einen Energieparkentwickler, die UKA-Gruppe. In der Runde diskutiert die Gruppe über die praktische Anwendung ihrer Skills und auch die Möglichkeiten, den Studiengang zu verbessern. Markus Kissing, „Project Development Manager“ bei RES (Renewable Energy Sources, ein global agierendes Unternehmen), wünscht sich beispielsweise mehr internationale Kooperationen und eine globalere Perspektive. Auf der anderen Seite loben die Teilnehmenden die Ausbildung ihrer kommunikativen Fähigkeiten, besonders das Training in der Konfliktbewältigung.
Carla Paul, die an der HAWK Forstwirtschaft und Urbanes Baum- und Waldmanagement studiert hat, ist Pressesprecherin für den Regionalverband Ruhr. Sie betont, dass der Dialog zwischen Bewohnenden und Förster*innen eine holprige Aufgabe sein kann. „Das macht aber nichts, denn ich habe die kommunikativen Fähigkeiten dafür und zu meinem Job gehört auch, reflektiert mit Standpunkten umzugehen. Das liegt mir und macht Spaß.“

Greta Wienrich berichtet von ähnlichen Erfahrungen: „Es ist wirklich wichtig, dass man gemeinsam ein Ziel hat und nicht gemeinsam einen Konflikt“. Sie studiert derzeit noch und arbeitet zusätzlich für das Ingenieurbüro „IBBO“, das Bauüberwachungen für Schienennetzbetreiber ausführt. „Mir helfen hier echt solche Inhalte, die wir in den Kommunikationsmodulen durchnehmen. Außerdem bin ich ein großer Fan der HAWK-plus-Kurse, die sind für mich ein richtiger Mehrgewinn.“ Die Studierenden und Absolvierenden auf dem Podium sind sich letztlich einig: Der Studiengang ist einzigartig und bildet zu Allround-Talenten aus, die für das Management und für die Bewirtschaftung urbaner Wälder und Grünflächen dringend gebraucht werden.

Das HAWK-Tagungs-Organisationsteam:

Dr. Stefanie Steinebach
Prof. Dr. Torsten Vor
Prof. Dr. Hubert Merkel
Prof. Dr. (i.R.) Volker Dubbel

Hier geht es zum HAWK-Masterstudiengang Urbanes Baum- und Waldmanagement