Erscheinungsdatum: 09.07.2010

Streetart in Hildesheim bei den \\\"Stadtinterventionen 2010\\\" der HAWK-Fakultät Gestaltung

„Raus aus den vier Wänden und direkt auf die Straße“, könnte das Motto der zweiten „Stadtinterventionen 2010“ lauten. In dem Projekt der HAWK-Fakultät Gestaltung geht es für Erstsemester um Grundkenntnisse im dreidimensionalen Bereich zur Schulung des Raumverständnisses und um Street Art – und damit um Möglichkeiten, die sich für die Ausstellung von Kunst im öffentlichen Raum eignen. Für die Hildesheimer heißt das: die überraschende Begegnung mit der für viele noch ungewohnten Kunst – zu durchaus gewollten Irritationen.

Besonders gut zu beobachten ist dies beim Exponat „Affenkino“ vor der Citykirche. Es ist ein Käfig. Darin halten sich, als Touristen verkleidet, die Entwickler Marie-Christine Müller und Danny Schwark auf. Beide studieren das Fach Digitale Medien. Jetzt verteilen sie Karotten und Bonbons an die neugierigen Passanten. Es ist eindeutig: Affenkino ist ein Kunstwerk zwischen Performance und Street Art. Die Reaktionen der Vorbeigehenden sind unterschiedlich. Von einem spontanen „interessant“ über „die Idee finde ich super. Das erzeugt echt Aufmerksamkeit“, „das ist sicher eine Werbeaktion für Süßigkeiten“, bis hin zu „die demonstrieren wohl gegen Massentierhaltung“.

Müller und Schwark haben sich natürlich etwas dabei gedacht. In ihrem Werk sind nicht sie die eingesperrten Zootiere, sondern die Menschen in der Fußgängerzone. Ihre selbst gestellte Aufgabe ist, die aus ihrer Sicht Eingesperrten zu erforschen. Im Prinzip handelt es sich also um eine anthropologische Studie. Das Duo, beide sind im ersten Semester und damit noch recht neu in Hildesheim, ist von den Reaktionen überrascht. „Die Hildesheimer sind für solche Aktionen überraschend offen. Seltsamerweise kommt nichts Negatives. Nur einmal hat uns bisher jemand als ‚bekloppt’ beschimpft. Das entspricht aber unseren Erwartungen“, lacht Müller, während sie ein Bonbon verschenkt. Mindestens eine Nacht wollen sie noch im Käfig bleiben, wenn das Wetter mitspielt.

Für viel Vergnügen sorgt die Erweiterung des Huckup-Denkmals, das sich für sechs Tage in die „Hildesheimer Stadtmusikanten“ von Tatjana Bauer verwandelt hat. Auf dem Buckel trägt Huckup jetzt auf dem Sack zusätzlich eine Katze und einen Papagei. Man muss wegen der Höhe schon etwas genauer hin schauen, um das Werk zu entdecken. Offensichtlich sind einige Erfahrungen aus den Stadtinterventionen von 2009 eingeflossen. Viele der Installationen wurden damals beschädigt oder gar entfernt. „Damit muss man halt rechnen, wenn man Kunst in den öffentlichen Rum stellt. Das gehört zur Natur der Street Art. Manche Leute regen sich auf, andere vandalisieren, wieder andere klauen die Kunstwerke. Aber die Mehrheit zeigt sich sehr begeistert“, erklärt HAWK-Professor Hans Lamb, der zusammen mit Jan Obornik das Projekt „Stadtinterventionen“ leitet.

Die nächste Überraschung wartet auf dem historischen Marktplatz. „Kasten; Kasten“ von Katharina Muske ist ein auf den Boden geklebtes gelbes Rechteck. Auf den Linien steht „Verwirrte Rentner“. Gerade steht eine geführte Reisegruppe daran – und schon darin. Die Senioren fühlen sich keineswegs veralbert. Im Gegenteil. Sie lichten sich gegenseitig ab als Erinnerung. „Solche Aktionen sollte es in jeder Stadt geben“, lautet der allgemeine Tenor. Ein zweiter Kasten mit der Aufschrift „frustrierte Eltern“ vor einem Erotik-Fachgeschäft sowie ein dritter vor einer Eisdiele, auf dem „plärrende Kinder“ steht.

Das Projekt findet in enger Kooperation mit der Hildesheimer Stadtverwaltung statt. Insgesamt wurden 17 Beiträge von 42 Erstsemesterstudierenden erarbeitet. Sie alle befinden sich in der Innenstadt und sind vom bis zum 11. Juli zu entdecken. Es lohnt sich derzeit also doppelt, mit offenen Augen durch die Hildesheimer Innenstadt zu gehen.

Mehr Informationen sowie Dokumentationen über sämtliche Projekte gibt es im Internet unter www.stadtinterventionen.de.

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