Ausstellung "Bücher erhalten" im Roemer- und Pelizaeus-Museum, im Rathaus und im Stadtarchiv eröffnet

Publizierungsdatum: 17.04.2017

Die größten Sorgenkinder unter den Büchern der Wissenschaftlichen Bibliothek des Stadtarchives Hildesheim sind die Ledereinbände. Doch für sie und andere historische Werke erproben Studierende der HAWK bereits seit 2014 die Anwendung von neuen effizienten Methoden der Bucherhaltung. Die Methoden wurden seinerzeit zur Behebung der Brandschäden an der Herzogin Anna Amalia Bibliothek der Klassik Stiftung Weimar entwickelt. Die Arbeitsergebnisse der Studierenden wurden bis 14. Mai 2017 im Rahmen der Ausstellung „Bücher erhalten“ etwa im Roemer- und Pelizaeus-Museum gezeigt.

Prof. Dr. Regine Schulz, Leiterin des Roemer- und Pelizaeus-Museums, sagte bei der Ausstellungseröffnung: „Das Besondere an dieser Ausstellung ist, dass es einfach mal darum geht, wie wir Dinge erhalten. Es ist unsere eigene Geschichte und wir müssen die Menschen darauf aufmerksam machen, wie wertvoll sie ist. Jeder von uns hat Lieblingsbücher zuhause. Und ich finde ganz toll, dass unsere Kollegen und die Studierenden bereit sind, Hildesheimerinnen und Hildesheimer zu empfangen und zu sagen: ‚Zeig uns Dein Buch und sag uns, wo ist das Problem‘.“

 

Prof. Ulrike Hähner, Leiterin der Studienrichtung Schriftgut, Buch und Graphik des Bachelorstudiengangs Konservierung und Restaurierung an der Fakultät Bauen und Erhalten hob hervor: „Der Wert der Kooperation von HAWK, Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Stadtarchiv und Roemer- und Pelizaeus-Museum ist unschätzbar, weil wir damit in die Praxis hineinkommen. Wir dürfen an den Beständen arbeiten und wir können mit den Studierenden dann auch die Ergebnisse diskutieren.“

„Niemand würde wohl einem digitalen Medium allein wegen der Kurzlebigkeit der technischen Lösungen das gleiche Vertrauen entgegenbringen wie Papier. Aus dem Grunde bin ich froh, dass es auch an unserer Hochschule Fachleute gibt, die sich mit der Erhaltung und erforderlichenfalls Restaurierung des schriftlichen Erbes unserer Kulturen befassen und dies auch anhand dieser Ausstellung zeigen“, sagte Prof. Dr. Günther Bahre, Dekan der HAWK-Fakultät Bauen und Erhalten.

Experten beraten Bürger/innen zu Schadensfällen

Das Stadtarchiv hat für alle Bürger die Möglichkeit geboten, sich zu eigenen „Schadensfällen“ beraten zu lassen.

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die Wissenschaftliche Bibliothek des Stadtarchivs Hildesheim. Sie umfasst 78.073 Bücher und besteht aus verschiedenen historischen Büchersammlungen der Stadt Hildesheim aus der Zeit des 15. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Zu ihr gehören die Ministerialbibliothek des St. Andreasstifts, die Ratsbibliothek, die Bibliothek des Gymnasiums Andreanum und der Erstbestand der Stadtbibliothek. Die Bibliothek ist zwar vollständig erschlossen, doch gibt es vor allem in den älteren Beständen Bücher, deren Einbände fragil oder sogar beschädigt sind, und die deswegen zurzeit nicht vorgelegt werden können.

In der Ausstellung zu sehen sind Bücher der sehr schönen Hildesheimer Bibliothek. Ihr Erhaltungszustand wird dargestellt. Häufige Beschädigungen der Bucheinbände und -materialien sowie „Schwachstellen der Bücher“ werden durch einen Film, Modelle und Schautafeln erklärt. Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek hat zudem interessante Leihgaben an das Museum gegeben. Zwei „Aschebücher“, die bisher selten außerhalb Weimars zu sehen waren, werden zusammen mit einem Dokumentarfilm über die Bergungsarbeiten in der Brandnacht  gezeigt sowie Konservierungs- und Restaurierungsergebnisse aus Weimar erklärt.

Darüber hinaus sind die Arbeitsergebnisse der Studierenden  sowie die verwendeten Materialien und Hilfsmittel zu sehen. Modelle und Schautafeln zu den verschiedenen Sachverhalten ergänzen die kleine Schau. Für sie werden auch gestalterische Elemente der erfolgreichen Weimarer Ausstellung aufgegriffen. Sie sollen neugierig machen und den kulturellen Austausch der beiden interessanten Städte, Hildesheim und Weimar, befördern.

Begleitet wird die Ausstellung im Roemer- und Pelizaeus-Museum von zwei weiteren Präsentationen, im Rathaus der Stadt Hildesheim zu Lehrinhalten des Bachelor-Studiengangs Konservierung und Restaurierung von Schriftgut und im Stadtarchiv zur Erhaltung und Aufbewahrung von Archivgut.

Hintergrund:

Nach dem verheerenden Brand 2004 in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar sind in einer bisher einzigartigen interdisziplinären Zusammenarbeit für große Mengen Bücher mit Einbandschäden Konservierungs- und Restaurierungsmethoden entwickelt worden. Die in den Bibliotheksalltag integrierte Ablaufplanung, die diese Arbeiten steuerte, wurde von Prof. Ulrike Hähner (HAWK) analysiert und kann daher - neben der  Konservierung und Restaurierung - in die Lehre integriert werden.

Ulrike Hähner ist auch Mitkuratorin der Ausstellung „Restaurieren nach dem Brand“, die zunächst 2014 im historischen Bibliotheksgebäude in Weimar gezeigt wurde und dort seit Mitte 2016 nun auch dauerhaft zu sehen ist. 2016 entwickelte sie in enger Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv und einer Gruppe von Masterstudierenden auf dieser Kenntnisbasis strategische Grundlagen für die langfristige Erhaltung der Wissenschaftlichen Bibliothek des Stadtarchivs Hildesheim, die in die vorhandene Archivorganisation eingebunden werden können.

Zustandserhebung, Ressourcenkalkulation, Zielsetzung und Objektgruppenbildung sollen die Arbeiten der Bestandspflege, Konservierung und Restaurierung sowie Benutzung erleichtern.