Beton-Flasche auf See

Publizierungsdatum: 26.06.2017

Einen bangen Moment sieht es doch so aus, als ob das Boot seinem Material alle Ehre machen wird – und wie ein Betonklotz  auf den Grund des Hohnsen sinkt. Einige Sekunden später schaffen es die beiden Kajak-Piloten Eike Hain und Jerome Frohn aber doch, den Rumpf längs in eine stabile Lage aufzurichten.

Am Ufer stehen ihre Kommiliton/innen und atmen hörbar auf: Zwei Semester lang haben sie sich auf diesen Tag vorbereitet, den ersten Praxistest ihres Betonbootes. Eike Hain, der mit dem Boot zusammen mit Jerome Frohn auf dem Hohnsen eine kleine Runde dreht, ist von der Konstruktion überzeugt: “Eigentlich hat sich das zweite Boot ganz gut gemacht“, fasst der Holzingenieurwesen-Student im 4. Semester die bisherigen Erfahrungen zusammen.

 



Die Aufgabe war es, ein Boot aus Beton zu bauen“, erklärt Jerome Frohn, der im 2. Semester Holingenieurwesen studiert. „Es ist mal interessant aus einem Werkstoff, den man sonst so nicht verwendet, ein Boot zu bauen,“, sagt er. So könne man neue, wertvolle Erfahrungen sammeln.

Warum kann nun ein Betonboot schwimmen? „Das hat vor allem mit der Wasser- und Formverdrängung zu tun“, erklärt Hain und verweist auf die wasserundurchlässige Eigenschaft von Beton. Baut man es nicht zu schwer, und nimmt zum Beispiel Blähglasgranulat statt Kies, kann es auch sehr gut im Wasser schwimmen.

Wenige Minuten zuvor wurde es zünftig getauft, mit einer Flasche Sekt. Allerdings floss nur etwas Sekt auf den Rumpf – aus Sicherheitsgründen. Denn dass das Material durchaus reißen kann, zeigte sich nach der ersten Runde auf dem Hohnsen: Durch einige Mikrorisse hatte sich etwas Wasser im Schiffsrumpf angesammelt.

Bei der Herstellung des Rennkanus wurden eine Lage Beton aufgebracht, dazwischen Kunststoff als Bewehrung und eine weitere Betonlage auf gespachtelt. „Man hätte es auch aufspritzen können, da fehlt uns aber die Erfahrung und auch die Zeit, es so zu machen.“ Ein zweites Boot, das sich am Design des Kanus von der Regatta 2015 orientierte, wird von der Studentinnenmannschaft gefahren. Beide Kanus wurden erst in einer hölzernen Formschale konstruiert, in die dann der Beton mit den Schwimmkörpern aufgebracht wurde.

Das Lehr-Modul war auf zwei Semester aufgeteilt: zunächst wurden die Boote geplant, konzipiert und auch berechnet. Am Ende des Semesters wurde die Gruppe nochmal aufgeteilt: Die Bauingenieur/inne/e/n haben sich mit dem Beton auseinandergesetzt, die Holzbauingenieur/inne/e/n kümmerten sich um die hölzernen Formschalen, die teils an der CNC-Maschine gefräst wurden.

Bei der alle zwei Jahre stattfindenden Betonbootregatta ist neben Schnelligkeit und Konstruktion aber auch Kreativität gefragt: Die Mannschaften müssen sich um die Gestaltung Gedanken machen. Prof. Dr. –Ing. Gabriele Masuch, die als Dozentin das Modul lehrte, zeigt sich am Hohnsen-Ufer sehr zufrieden: „Beide Boote sind sehr schön geworden, und schwimmen auch gut – wir freuen uns auf die Regatta“.

Das diesjährige HAWK-Beton-Rennboot sieht zwar etwas grau und unscheinbar aus, das sei aber das Konzept, so Eike Hain: „Die Idee war, dass wir mit einer Flasche starten – in Anlehnung an einen bekannten Rumhersteller“, sagt Hain. Allen sei aber von Anfang an klargewesen, dass eine Flasche keine guten hydrodynamischen Eigenschaften habe. „Deshalb haben wir eine halbe Flasche mit LKW-Plane konstruiert und auffällig gelb bemalt – als Aufsatz für das Kanu.“ ‚Capt’n Gestern‘ heißt das Boot.

Insgesamt sind die beiden HAWK-Studierenden mit den Schwimmeigenschaften sehr zufrieden, auch wenn es innen etwas nass geworden war: „Es war wacklig und der Schwerpunkt lag sehr weit oben“, meint Hain nach der Jungfernfahrt selbstkritisch „aber ich bin zuversichtlich dass wir ins Ziel kommen.“

Einen Tag später ging es für die rund zwanzig Studierenden auf den Fühlinger See in Köln – zur 16. Betonbootregatta. Zwar konnten sie keine Preise ergattern, aber sie kamen nicht als letzte durchs Ziel und gingen auch nicht unter.