Spezielle Künstlerwettbewerb

Dieser spezielle Künstlerwettbewerb hatte uns deshalb sofort interessiert, weil er auf vielfältige Art und Weise Substanz hat. Es handelt sich um eine Sakristei in Hildesheim, die 1950 bewusst als Ruine belassen worden war, um an Zerstörung und Wiederaufbau zu erinnern. Dazu ist wichtig zu wissen, dass Hildesheim bis zum März 1945 eine attraktive Fachwerkstadt war und als das Nürnberg des Nordens bezeichnet wurde. Die Zerstörung der Altstadt geschah innerhalb von zwei Tagen. 75 % aller Gebäude wurden zerstört oder beschädigt. Heute ist diese Sakristeiruine ein wesentliches, authentisches Mahnmal in Hildesheim, das diese Zerstörung zeigt.

Auch die Aufgabenstellung der Kirchengemeinde war sehr vielversprechend formuliert. Sie lautete: „Ein Kunstwerk, zu schaffen, das anregen soll, über Zerstörung und Wiederaufbau nachzudenken. Dabei sollte das Kunstwerk nicht zu eng allein die Hildesheimer Zerstörungs- und Aufbaugeschichte im Blick haben, sondern auch den Blick öffnen für ähnliche Geschehnisse und Erfahrungen an anderen Orten.“ (Jürgen Loest, Pastor an St. Lamberti)

Wie begegnet man einer solchen Aufgabe? Vielfältig! Mit unseren Studierenden übten wir verschiedene Methoden: zuerst allein den Ort erkunden und die Sinne schärfen. Zum Beispiel bewusst durch ein kleines Rohr schauen und nur Materialien oder Form-Details fokussieren. Die Gedanken dazu skizzieren und Fragen notieren. Die Wirkung der räumlichen Situation beurteilen. Wenn möglich, zu unterschiedlichen Tageszeiten und Lichtverhältnissen den Ort begehen. Anschließend Interviews vorbereiten und mit den Menschen vor Ort sprechen. Die Gespräche protokollieren. Die Geschichte des Ortes recherchieren. Vielleicht auch Anekdoten aufspüren. Des Weiteren empfehlen wir unseren Studierenden, themenbezogene „Vorbilder“ aus den Bereichen Kunst, Architektur und Design zu analysieren. Sie können dabei lernen, was daran vorbildlich ist und sich ihre eigenen Wertvorstellungen bewusst machen. Die Studierenden bekommen einen Zeitplan. Ausgehend vom Abgabetermin kann ein Drittel der Zeit eingeplant werden für: Recherche, Ideenfindung, Experiment, ein weiteres Drittel für diverse Konzepterstellungen, die Entscheidungsfindung und Weiterentwicklung eines Konzeptes. Das letzte Drittel ist für die Präsentationsvorbereitungen. Hier müssen die kennzeichnenden Qualitäten des Entwurfs kommuniziert werden. In Form von Modellbau, Visualisierung und Beschreibung. Sechs Masterstudierende haben viele Konzepte entwickelt und sich jeweils für einen Entwurf entschieden und diesen vor der Kirchengemeinde präsentiert.
In unserer schnelllebigen Welt Konzepte gestalten zu dürfen, die unsere Kultur und unsere Geschichte thematisieren, die langfristig Bestand haben sollen, also 30 Jahre und länger, das ist eine besondere Aufgabe, ein Geschenk.