Erscheinungsdatum: 22.11.2012

Maschinelle elektrostatische Reinigung und Digitalisierung von Kulturgut in einem Arbeitsgang

Maschinelle elektrostatische Reinigung und Digitalisierung von Kulturgut in einem Arbeitsgang

Interdisziplinäre Forschung an der HAWK und Unterstützung durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) machen es möglich.

An der HAWK Hochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen ist jetzt eine neue, mobile Anlage zur Reinigung von mit Feinstaub und Schimmel kontaminiertem Kulturgut in den Probebetrieb genommen worden. Die ursprünglich an der Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha eingesetzte maschinelle Technologie der elektrostatischen Reinigung zur Behandlung der Fein¬staub-kontaminierten Karten des Perthes-Bestandes konnte damit erfolgreich weiterentwickelt werden.

Die neue Anlage ist deutlich kleiner als der Prototyp, statt ursprünglich acht Meter lang und zwei Meter breit ist sie nur noch drei Meter lang und 1,30 Meter breit, bietet aber die volle Funktionali¬tät des großen Prototyps und übertrifft ihn sogar in der Leistungsfähigkeit. Es können weiterhin Großformate mit einer Breite bis zu 1,10 Meter beidseitig gereinigt und jetzt sogar optional zeit¬gleich digitalisiert werden. Die in der Praxis bisher getrennten und von unterschiedlichen Abtei¬lungen ausgeführten Arbeiten können nun in einem Arbeitsgang innerhalb weniger Minuten er¬folgen. Zudem konnte die elektrostatische Ladung um das fünffache erhöht und damit die Reini¬gungsleistung erheblich gesteigert werden. Die Anlage ist Stecker fertig konzipiert, kann an das normale Stromnetz angeschlossen werden und ist im laufenden Betrieb angenehm leise, ver¬gleichbar mit einem Kopierer. Sie wird nach erfolgreichem Abschluss der Testläufe und den damit verbundenen Untersuchungen auch auf den Markt kommen.

Dem Team unter der Leitung von Prof. Ulrike Hähner und Prof. Dr. Karin Petersen von der HAWK-Fakultät Bauen und Erhalten ist es gemeinsam mit dem Entwickler und Konstrukteur der Papier-reinigungsanlage, Dipl.-Ing. Ernst Becker (in Kooperation mit dem Fertigungsunternehmen LTK Lineartechnik Korb), dem Niedersächsischen Landesarchiv Hannover unter Leitung von Dr. Bernd Kappelhoff, der Von Veltheim Stiftung Helmstedt unter Leitung von Mechthild von Veltheim, der Fakultät Naturwissenschaften und Technik der HAWK unter Leitung des Vizepräsidenten für For¬schung und Transfer, Prof. Dr. Wolfgang Viöl, sowie den wissenschaftlichen Mitarbeiter/-innen Julia Schultz, Doreen Weiß, Nils Mainusch und Barbara Rittmeier innerhalb von nur einem Jahr gelungen, den neuen Prototyp fertig zu stellen. Die Erfinder der Technologie sind Prof. Dr. Gerhard Banik von der Universität für Angewandte Kunst Wien und Dipl.-Ing. Ernst Becker. Von Prof. Banik erhält das Team ebenfalls kontinuierlich wichtige Unterstützung.

Das Ziel der nun folgenden Testläufe ist die sichere Anwendung der Anlage für die Reinigung und Digitalisierung der zehn Regalkilometer mikrobiologisch verseuchter Akten des Niedersächsi¬schen Landesarchivs Hannover. In die Testläufe eingebunden sind auch kontaminierte Textil¬fragmente der Von Veltheim Stiftung Helmstedt sowie historische Fotografien. Die Untersuchun¬gen zur Anwendung bei Fotografien erfolgen gemeinsam mit dem Studiengang Konservierung und Restaurierung von Graphik, Archiv- und Bibliotheksgut der Staatlichen Akademie der Bil¬denden Künste Stuttgart unter Leitung von Prof. Dr. Irene Brückle.

Die weiteren Untersuchungen betreffen den Gesundheits- und Arbeitsschutz, den zu entwickeln¬den Mengenworkflow für Schimmelschäden sowie die Qualitätskontrolle der Reinigungsma߬nahmen. Ihr Ziel ist die gleichmäßige und vollständige Abnahme der lose aufliegen¬den, gesund¬heitsgefährdenden, feinen und überwiegend unsichtbaren Partikel. Darüber hinaus dürfen nega¬tive Ober¬flächeneffekte, wie z.B. Aufrauen der Materialien, Substanz- und Informations¬verlust, Verbreitung von Sporen und Stäuben nicht auftreten. Standardisierte Qualitätskontrollen gibt es in der Restaurierung noch nicht. Sie sollen innerhalb dieses und eines Folgeprojektes entwickelt werden. An dieser wichtigen Thematik wird sich auch das Historische Archiv der Stadt Köln für die effektive und zugleich schonende Reinigung der massenhaft durch alkalische Bauschuttfein¬stäube geschädigten Archivalien beteiligen. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt hat die Pro¬jektarbeitsgruppe ermutigt, auf diesem Gebiet unbedingt weiterzuarbeiten.



Von der vielfältigen interdisziplinären Forschungs- und Entwicklungsarbeit profitieren auch die Studierenden der HAWK, denn sie werden aktiv eingebunden und die neuen Erkenntnisse in der Lehre vermittelt. Die Forschungsergebnisse sowie die neue Anlage werden 2013 den Archiven, Bibliotheken und Museen vorgestellt.

Weitere Informationen:
Prof. Ulrike Hähner
Fakultät Bauen und Erhalten


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