Erscheinungsdatum: 30.05.2013

HAWK-Fachtagung zu Sexualassistenz und -begleitung, Partnerschaft und Elternschaft bei Menschen mit Behinderungen

Welche Vorurteile und Mythen gibt es in der Gesellschaft, wenn es um die Elternschaft und Partnerschaft von Menschen mit Behinderungen geht? Welche rechtlichen Aspekte sind zu beachten? Was ist Sexualassistenz und was Sexualbegleitung? Diese in der Öffentlichkeit und Gesellschaft oftmals tabuisierten Themen wurden anlässlich eines Fachtages an der Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit an der HAWK in Hildesheim mit Expert/inn/en und Studierenden diskutiert.

Etwa 60 Teilnehmer/inn/en informierten sich bei Einzelvorträgen und interdisziplinären Workshops über Sexualassistenz und Sexualbegleitung, Partnerschaft und Elternschaft bei Menschen mit Behinderungen.

Viele Facetten erfassen
Die Motivation für die Organisation eines Fachtages war die große Nachfrage von Studierenden in Lehrveranstaltungen, die während ihrer Praxissemester in ihren Einsatzorten Handlungsbedarf festgestellt haben. „Konkreter Anlass war aber auch, dass das Thema Sexualität und Behinderte in negativer Form vor ein paar Wochen in der Presse kursierte, es gab einen an die Diakonie gerichteten Prostitutionsvorwurf. Dort wurden ganz schreckliche Mythen über geistig behinderte Menschen verbreitet. Wir wollten zusammen mit Studierenden, Menschen aus der Praxis und Expert/inn/en aus unterschiedlichen Fachdisziplinen genauer auf das Thema schauen um möglichst viele Facetten zu erfassen,“ fasst Prof. Dr. Gisela Hermes zusammen, die den Fachtag gemeinsam mit ihrem juristischen Kollegen Prof. Dr. Oliver Kestel organisiert hat.

Sexualberatung und -begleitung
Dipl.-Psych. Lothar Sandfort vom "Institut zur Selbst-Bestimmung Behinderter" (ISBB) erläuterte das Konzept der Sexualberatung und -begleitung. "Bei den meisten Kund/inn/en, die zu uns kommen, gibt es ein Problem, das gelöst werden muss.“ Viele Behinderte seien es gewohnt, dass alles für sie in den Einrichtungen gemacht werde. Liebe und Sexualität seien aber die letzten Bereiche, die man nicht organisieren könne, so Sandfort zu den Seminaren im ISBB.

In weiteren Referaten, gehalten von Prof. Dr. Oliver Kestel sowie den Studierenden Janina Gudusch und Stefanie Oelker, wurde auf die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaut, ebenso auf die straf- und sozialrechtlichen Aspekte.

In ihrem Vortrag zu familienrechtlichen Bestimmungen der Elternschaft von Menschen mit geistiger Behinderung verdeutlichte Prof. Dr. Sabine Dahm, dass die elterliche Sorge eine höchstpersönliche Aufgabe sei, die zum Beispiel ein/e Betreuer/in nicht übernehmen dürfe.

Elternschaft und rechtliche Grenzen
Im Bereich Beratung zu Sexualfragen wünscht sich Hermes eine bessere Ausrichtung von verfügbaren öffentlichen Angeboten auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung. Ähnlich sieht sie es für das Thema Elternschaft, da gebe es noch rechtliche Grauzonen: „Wie kann Elternschaft in der eigenen Wohnung mit der benötigten Unterstützung oder aber auch in einer kleinen Wohneinrichtung gelebt werden? Und wie geschieht das als ganze Familie, was bisher sehr erschwert ist", so Hermes. Oftmals beschränken sich die wenigen Wohnangebote auf Mütter mit Kindern, bisher gibt es sehr wenige Möglichkeiten, dass auch Väter mit Mutter und Kind zusammenleben.

"Alle Möglichkeiten ausschöpfen"
Hermes räumte zudem mit populären Vorurteilen auf, die in der Gesellschaft kursieren: Eine Behinderung würde nicht zwangsläufig zu einer Gefährdung des Kindeswohls führen. „Menschen mit geistiger Behinderung können durchaus gute Eltern sein, wenn sie die benötigte Unterstützung erhalten. Es gibt erst einmal keinen Grund, das Kind fremd unterzubringen, nur weil jemand eine Beeinträchtigung hat - das passiert in Deutschland aber leider nach wie vor“, resümierte Hermes. Es sei wichtig, genau hinzuschauen und zu versuchen, alle Möglichkeiten auszuschöpfen - so wie man es auch bei nichtbehinderten Menschen mache.

Ulrich Wöhler, Dezernent für Soziales, Jugend Sport und Gesundheit beim Landkreis Hildesheim, kam in seinem Vortrag auf Zuständigkeiten und die vielfältigen Hilfsangebote der Landkreisbehörde als Leistungsträger zu sprechen. Beratung zu Sexualbegleitung oder -assistenz sei aber kaum bei den Fachdiensten oder Sozialarbeitern des Landkreises nachgefragt. Entsprechende Anträge würden generell wenig gestellt – wie auch bei anderen Leistungsträgern.

Wichtig sei, betonte Wöhler, dass„wenn ein Mensch mit Behinderung Anspruch auf Leistung hat, der Leistungsbedarf ganzheitlich ermittelt wird. Das sind oft bis zu acht Leistungsträger, die in Frage kommen."

Kontakt:
Prof. Dr. Gisela Hermes
Brühl 20
Raum 108
31134 Hildesheim

Tel: +49(0)5121 881-411


Institut zur Selbst-Bestimmung Behinderter : http://www.isbbtrebel.de/

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