Studierende aus Ägypten besuchen HAWK und RPM

Erscheinungsdatum: 12.11.2021

Dreizehn Studierende aus al-Minya, der ägyptischen Partnerstadt Hildesheims, sind zur einer „Autumn School“ nach Hildesheim gereist. Im Roemer- und Pelizaeus-Museum (RPM) lernen sie, gemeinsam mit Studierenden der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen und der Universität Göttingen, historische Objekte zu untersuchen, zu dokumentieren und erarbeiten einen Museumskatalog.

Das Austauschprojekt unter dem Titel „Conservators & Archaeologists – Understanding, Preserving and Communicating Material Culture“ wird von Prof. Dr. Regine Schulz, wissenschaftliche Direktorin des RPM und Restaurator und Konservator Prof. Dr. Hussein M. A. Ibrahim von der Minia Universität geleitet und vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) finanziert.

 

Zusätzlich unterstützen die „Städtepartnerschaft Hildesheim-Minia“ und der, seit Kurzem zum Freundeskreis Ägyptisches Museum Wilhelm Pelizaeus e.V. gehörige, Echnaton-Verein das Projekt.

„Nach dieser langen Zeit mit vielen Zoom-Konferenzen freue ich mich ganz besonders, wieder eine Gruppe Studierender aus Ägypten in Präsenz begrüßen zu dürfen“, erklärt HAWK-Präsident Dr. Marc Hudy, als er die internationalen Gäste in den Restaurierungswerkstätten der Hochschule willkommen heißt. Über 3000 Kilometer trennen den HAWK-Standort Hildesheim und die Minia Universität in al-Minya in Ägypten. Normalerweise eine Flugreise von wenigen Stunden, doch in der Pandemie zeitweise eine unüberwindbare Distanz. 2021 sollte nun endlich wieder die traditionelle „Summer School“ des RPM, der HAWK und der Minia Universität stattfinden. Trotzdem sorgten die COVID-19-Beschränkungen noch für einige Hindernisse und Verspätungen und so wurde aus der „Summer School“ eine „Autumn School“ und die Studierenden aus al-Minya tauschten die ägyptische Sonne gegen den deutschen Novemberregen.

Belohnt wurden sie dafür unter anderem mit dem Zugang zu den altägyptischen Originalen des RPM in Hildesheim. Dank des Engagements von RPM-Restauratorin Madeleine Alsen lernten sie in den Räumen des Museums anhand echter antiker Ausstellungstücke, Objekte zu untersuchen und zu dokumentieren. In Ägypten bliebe gerade Studierenden der unteren Semester ein solcher Zugang verwehrt, berichtet Prof. Dr. Hussein M. A. Ibrahim. Er lehrt an der Minia Universität, hat selbst eine Zeit lang in Hildesheim studiert und begleitet seit 2012 Studierendengruppen nach Hildesheim. In ihrer Heimat dürften Studierende der Restaurierung meist nur an Nachbildungen arbeiten, erklärt er. „Außerdem können sie hier durch das moderne Equipment profitieren.“

Und diese Gelegenheit haben die Studierenden voller Begeisterung genutzt, bemerkt auch Prof. Dr. Julia Antonieta Schultz. Sie lehrt im Bereich Konservierung und Restaurierung von Möbeln, Holzobjekten und Materialkombinationen an der HAWK. Zum ersten Mal beschäftigte sich die Gruppe aus al-Minya in diesem Jahr unter ihrer Anleitung schwerpunktmäßig mit Objekten aus Holz. Gemeinsam mit vier Studierenden ihrer Fachrichtung zeigte sie den ägyptischen Besucher*innen die HAWK-Werkstätten und führte Workshops in den Räumen des RPM durch. „Die Studierenden sind sehr wissbegierig und interessiert“, betont sie. „Ich bin beeindruckt, was sie trotz Sprachbarrieren in dieser kurzen Zeit gelernt haben.“

Zum ersten Mal sind in diesem Jahr neben angehenden Restaurator*innen aus Hildesheim und al-Minya auch Archäologiestudierende der Minia Universität unter Leitung von Prof. Dr. Mahmoud Massoud und der Universität Göttingen an dem Projekt beteiligt. Diese Erweiterung ergab sich, weil das Austauschprojekt 2021 insbesondere auf Initiative des RPM, seiner wissenschaftlichen Direktorin Prof. Dr. Regine Schulz und des archäologischen Mitarbeiters Dr. Sven Kielau beim DAAD beantragt werden konnte. Gemeinsam untersuchen die Studierenden zum Beispiel eine über 3000 Jahre alte hölzerne Statue einer ägyptischen Prinzessin aus der Zeit des Pharaos Echnaton.

Doch die ägyptischen und deutschen Studierenden sollen durch die Arbeit an den Objekten nicht nur neue Herangehensweisen erlernen, sondern auch eine Präsentation ihrer Arbeiten vorbereiten. Mit Projektabschluss Ende 2021 soll ein Katalog entstehen, in dem ausgewählte Objekte aus dem Roemer- und Pelizaeus-Museum und dem ägyptischen Mallawi-Museum beschrieben und gegenübergestellt werden. So beispielsweise auch eine steinerne Statue aus dem Mallawi-Museum, die eine weitere Prinzessin aus der Echnaton-Familie darstellt. „Dass Studierende der Restaurierung und der Archäologie gemeinsam an einem solchen Projekt arbeiten, ist etwas ganz Besonderes“, betont Dr. Helmut Brandl, wissenschaftlicher Mitarbeiter am RPM und Experte für ägyptische Kunst der Pharaonenzeit. Er betreut gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Sven Kielau, klassischer Archäologe und Experte für die griechisch-römische Zeit Ägyptens, das Katalog-Projekt. Am Ende soll der Katalog 18 Objekte aus unterschiedlichen Epochen von der Pharaonenzeit bis zum Mittelalter umfassen. Neben ägyptischen Stücken sollen dabei auch deutsche Objekte aus Hildesheim, wie zum Beispiel eine mittelalterliche Münze, vorgestellt werden. Erscheinen wird der Katalog dann auf Englisch und – in einer gekürzten Fassung – auf Arabisch und Deutsch.

Bis dahin liegen vor allen Beteiligten noch viele Arbeitsstunden und Online-Konferenzen. Denn die Studierenden werden in ihren jeweiligen Heimatländern weiterarbeiten und auch die Gestaltung des Katalogs übernehmen. „Es liegt viel Arbeit vor uns“, weiß auch Dalia Ahmed, Bachelorstudentin an der Minia Universität. Aber gleichzeitig sei der Austausch mit deutschen Studierenden und Lehrenden sehr anregend. Im Dezember werden dann die Studierenden aus Hildesheim und Göttingen zu einem einwöchigen Gegenbesuch nach Ägypten aufbrechen und unter anderem Tell el-Amarna besuchen, die Ruinen der Hauptstadt des Echnaton und der Nofretete.