Erscheinungsdatum: 17.12.2015

Holzmindener Masterstudierende sammeln Praxiseindrücke in Istanbul

"Herzlich Willkommen in Istanbul", hieß es jetzt für elf Studierende des Masterstudiengangs Soziale Arbeit und ihre Lehrenden. Im Mittelpunkt ihrer Exkursion in die Türkei stand die Frage, wie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter ein inklusives Miteinander unterschiedlicher sozialer Gruppen (mit-)gestalten können.

Den Ausgangspunkt des sechstätigen Aufenthalts bildeten zwei Vorbereitungstage im September. Im Rahmen des Seminars setzten sich die Studierenden intensiv mit den Themen Diversity und Gentrifizierung auseinander. Inhaltlich lernten sie dafür zum Beispiel Wolfgang Welschs Konzept der Transkulturalität sowie Ursachen, Rahmenbedingungen, Verlaufsmodelle und insbesondere die sozialen Folgen der Gentrifizierung kennen.

Im Rahmen der Exkursionswoche konnten die Studierenden dann gemeinsam mit ihren Lehrenden David Rüger und Mehmet F. Rüzgar das erworbene Wissen in der Praxis vertiefen. Ihr Quartier bezog die Gruppe zwischen der beliebten Einkaufsmeile Istiklal Caddesi und dem oft als "Problemviertel" benannten, von Abriss- und Sanierungsprozessen gezeichneten Wohnviertel Tarlabasi. Den ersten Abend nutzten die Studierenden einerseits, um Istanbul kulinarisch zu entdecken. Andererseits wurde jedoch auch direkt die besondere (innen-)politische Lage in der Stadt deutlich: Der Taksim-Platz war gesperrt, zahlreiche Flüchtlinge lebten auf den Straßen.

Ein weiterer Exkursionstag war dem Empfinden der Studierenden als Fremde/r gewidmet und führte die Gruppe ins asiatische Üsküdar. Dort begaben sich die Studierenden in die Rolle von neu zugezogenen Menschen, die weder der Sprache mächtig sind noch die sozialräumliche Funktionslogik beherrschen. Mehrere Stunden erkundeten sie so unterschiedliche Quartiere des Stadtteils. Die verringerten oder verhinderten Teilhabechancen der Zugewanderten wurden dabei schnell deutlich: Auf der zwischenmenschlichen Ebene zum Beispiel dient der enge Kontakt zu Menschen in der gleichen Situation als psychischer Stabilisator, und auf materieller Ebene werden Smartphones zur Orientierung genutzt.

Zu Highlights der Reise entwickelten sich außerdem Gespräche mit Verantwortlichen der beiden türkischen im Parlament vertretenen Parteien, der Halklarin Demokratik Partisi (HDP) und der Adalet ve Kalkinma Partisi (AKP). Beeindruckt waren die Studierenden in diesem Zusammenhang von der überzeugend vorgetragenen Kritik der HDP an der staatlich gesteuerten Siedlungsstruktur sowie der damit einhergehenden Vertreibung alteingesessener und zum Teil sozial schwacher Bevölkerungsgruppen.

Das zweite Gespräch mit der AKP unterstrich für die Studierenden zudem einmal mehr die Notwendigkeit politischen Könnens von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, um auch mächtigen Akteuren in Interessenkonflikten entgegnen zu können.

Abgerundet wurde der Aufenthalt in der türkischen Metropole durch einen Besuch bei Umut Cocuklari Dernegi, einer Einrichtung für wohnungslose Männer. Dort bekamen die Studierenden einen guten Einblick in den Berufsalltag, der für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in der Türkei vor allem durch die fehlende professionelle Tradition und geringe staatliche Sicherungssysteme erschwert wird.

Organisiert wurde die Exkursion im Rahmen eines Seminars von den Lehrbeauftragten David Rüger und Mehmet F. Rüzgar.

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