Ein Forschungsprojekt zur Analyse von Farbmitteln der 1920iger Jahre

Erscheinungsdatum: 10.05.2017

In der Masterarbeit von Christiane Adolf wurden mit Hilfe der zerstörungsfreien Reflexionsspektroskopie die Retuschen auf einem der Themenfelder der „Goldenen Tafel“ im Landesmuseum Hannover untersucht. Die Masterarbeit mit dem Titel „Die ZET-Farben von Günther Wagner – Harz- und ölhaltige Retuschierfarben im Kontext der „Goldenen Tafel“ am damaligen Provinzialmuseum Hannover“ wurde mit einem der begehrten Hildesheimer Lionspreise ausgezeichnet.

Die auf uns überkommenen Reste des einst viel umfänglicheren Altarretabels aus der ehemaligen Michaeliskirche zu Lüneburg werden zurzeit im Niedersächsischen Landesmuseum Hannover restauriert. In ihrer Arbeit konnte Christiane Adolf den materiellen Zusammenhang zwischen den in den 1920iger Jahren in Hannover hergestellten Künstlerfarben und den in vergleichbarer Zeit an der „Goldenen Tafel“ ausgeführten Restaurierungsarbeiten aufzeigen. Das ist insofern interessant, als dass gerade in diesem ersten Viertel des 20igsten Jahrhunderts ein Umdenken im Umgang mit konkreten Verlusten an Farbsubstanz und damit verlorengegangener künstlerischer Intension begann.

 

In dieser Zeit (ab 1919) treffen am damaligen Provinzialmuseum Hannover, dem heutigen Niedersächsischen Landesmuseum, Alexander Dorner (1893-1957), der spätere Direktor der Kunstsammlungen (1923-1937), und der Kirchenmaler Friedrich Koch (1859-1947) aufeinander. Aus der gemeinsamen Zusammenarbeit (1919-1936) der beiden so unterschiedlichen Charaktere sind materiell vor allem die museumsdidaktischen Arbeiten von Friedrich Koch als Museumsrestaurator erhalten geblieben. Wir würden diese Arbeiten heute als „historische Übungen“ in der Ausbildung von Restaurator/inn/en bezeichnen, die dem besseren Verständnis der Techniken der Tafel- und Fassmalerei dienen sollen. Für die Zeit der frühen 1920iger Jahre visionär!

Anhand der datierten Objekte von Friedrich Koch und den Aufzeichnungen Kochs, die sich u.a. im Archiv des Landesmuseums Hannover befinden, kann davon ausgegangen werden, dass Friedrich Koch in dieser Zeit vielfach Pelikan-Farben (ZET-Künstlerfarben) verwendet hat. Die von Koch gefertigten und farblich gefassten Tafeln und Skulpturen sind somit von großem wissenschaftlichem Wert.

Nach Wiederinstandsetzung des TIDAS-Gerätes (UV-Vis-Reflexionsspektrometer), das im Bestand des Archäometrielabors der HAWK in Hildesheim eine wesentliche Rolle bei der Anfertigung der anfangs erwähnten Masterarbeit von Christiane Adolf spielte, konnte im Januar 2017 mit den Vorbereitungen zur Untersuchung der von F. Koch angefertigten Demonstrations- und Schautafeln begonnen werden. Ein weiterer glücklicher Umstand war es, dass in dieser Zeit die ERASMUSplus-Stipendiatin Thodora Diligianni, Diplom-Ingenieurin von der Universität Athen, Griechenland, ihre Arbeit als Gastwissenschaftlerin in unserem Labor begann.

In enger Zusammenarbeit mit der Gemälderestauratorin Iris Herpers vom Landesmuseum Hannover wurden zunächst Testmessungen an den Tafeln von Friedrich Koch direkt in den Ateliers des Museums ausgeführt. Dabei sind insbesondere die bei der Retusche von Inkarnatfarbe (Hautfarbe) verwendeten Farbmittel bzw. Pigmentmischungen von Interesse.

Die ersten Messergebnisse sind vielversprechend und aufschlussreich. Frau Deligianni hat uns eine große Datenmenge in Form von Spektren sehr vieler Messpunkte auf den Kochschen Tafeln übergeben. Zu deren Interpretation und weiteren Forschungen ist Frau Deligianni leider nicht mehr gekommen. Ihr Stipendienaufenthalt endete Anfang Mai 2017.

Das Archäometrielabor wird die begonnenen Arbeiten fortsetzen und später die Messungen auch auf räumliche Objekte, d.h. Skulpturen und Architekturelemente, übertragen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Retusche zu Beginn des 20igsten Jahrhunderts liefern.