HAWK-Studierende untersuchen das Verhalten von Design in der Krise

Erscheinungsdatum: 28.08.2020

Coronavirus-Krise. Klimakrise. Wirtschaftskrise. Midlife-Crisis: Krisen sind allgegenwärtig. Sie erfordern neue Strategien des Handelns, des Lebens. Sie verlangen neue Regeln, die alsbald wieder nichtig werden oder sich in den Alltag einfügen. Unter der Leitung von Prof. Matthias Ries haben sich im Seminar „Design in Crisis“ acht Studierende im Kompetenzfeld Produktdesign mit dem Begriff Krise in Bezug auf Design auseinandergesetzt.

Sie stellten fest: Design ist vielschichtig. Während sich Teilbereiche des Designs in Krisen neu erfinden müssen, verhelfen gerade auch die gestalterischen Werkzeuge dabei, Krisen zu überwinden oder in eine neue Grundordnung zu transformieren. Doch wie genau verhält sich Design in einer Krise? Bei der Beantwortung dieser und weiterer Fragen hielt Prof. Ries die Studierenden an, kritisch, mutig, unkonventionell und visionär vorzugehen. Entsprechend ausgefallen sind die Ergebnisse: Hier einige exemplarische Beispiele.

Maschinen, die Konflikte erkennen

Alena Vogelsang hat für das Krisenszenario „häusliche Gewalt“ Lösungen entwickelt. Das Resultat sind vier spekulative Objekte. Sie beeinflussen alle die Auslöser der Stimmungen, aus denen Gewalt entstehen kann. So ist der „Gute-Laune-Türrahmen“ mit Sensoren ausgestattet, die dafür sorgen, dass der Rahmen beim Öffnen der Tür einen beruhigenden Lavendelduft versprüht und beruhigende Melodien spielt. Außerdem erdachte sich Vogelsang ein Alarmsystem, das Konflikte erkennt. Ist dies der Fall, gibt es komische Geräusche von sich, die für Irritationen der sich im Konflikt befindenden Personen sorgen und im Idealfall zu einem Lachanfall führen.

 

Für gefährdete Ehen hat sie Trauringe erfunden, deren Inneres mit einem Heizdraht ausgestattet ist. Zusätzlich sind sie mit einem zweistufigen Schalter versehen. Die erste Stufe sorgt für eine geringe Erwärmung, die die Funktion eines Anstupsens hat. Stufe zwei hingegen kann den Draht der anderen Person heiß werden lassen, um zu zeigen, dass eine Grenze überschritten wurde. Das vierte Teil ist ein aufblasbarer Airbag in der Kapuze eines Kapuzenpullovers. Von dem Verteidigungsverhalten einer Kobraschlange abgeschaut, entfaltet sich durch Ziehen an der Kordel der Airbag, auf dem nun eine spiralförmige optische Täuschung zu sehen ist, die einschüchtern, verwirren und durch die Farbwahl rosa besänftigen soll.

Langlebige Kleidung

Soyoung Park hat ihre Krise in der Bekleidungsindustrie gefunden. Unternehmen bringen neue Kollektionen zu immer niedrigeren Preisen immer schneller in die Geschäfte der Fußgängerzonen. Hierdurch kaufen die Konsumentinnen und Konsument immer mehr Kleidung und verschlimmern den Verbrauch von Rohstoffen und Wasser. Die Deutschen kaufen jedes Jahr etwa 60 neue Kleidungsstücke, die sie aber nur noch halb so lange tragen wie vor 15 Jahren. Das hat schwerwiegende Folgen für die Gesundheit, die Umwelt und für das Leben der Bekleidungsarbeiterinnen und -arbeiter. Das Stichwort heißt hier: Fast Fashion.

 

Als Lösung hat sich Park re:collar ausgedacht. Es handelt sich um Hemden, deren Kragen sich austauschen lassen. Der Kragen geht bei einem Hemd oft als erstes kaputt und in der Folge landet das ganze Hemd im Müll. Durch die Austauschbarkeit dieses Details können Hemden eine deutlich längere Lebenszeit erhalten. Man kann dem Kleidungsstück einen neuen Look verleihen und mit speziellen Kragen die eigene Persönlichkeit unterstreichen.

Pflanzen zur Metallgewinnung in der Tiefsee

Das Projekt von Annalena Manz befasst sich mit Alternativen zum konventionellen Bergbau für neu zu erschließende Metallvorkommen. Durch die ständig steigende Nachfrage werden die mit heutiger Technik erreichbaren Vorkommen des Rohstoffes Metall in Zukunft erschöpft sein. Eine Lösung dazu ist der Abbau von Manganknollen in der Tiefsee, da diese eine Vielzahl begehrter Rohstoffe enthalten. Doch dieser bislang wenig erforschte und umstrittene Prozess würde bedeuten, dass die Landesgrenzen ins Meer verschoben werden. Den Abbau führen Roboter durch, die die Manganknollen entfernen und dadurch großen Schaden anrichten. Die Tiefsee ist jedoch ein Gebiet, das mit all seinen Lebensformen kaum erforscht und deshalb besonders schützenswert ist.

 

Annalena Manz wollte etwas entwickeln, um solche Umweltschäden zu verhindern: „Es gibt zum Beispiel Pflanzen, die verschiedene Metalle aus dem Boden aufnehmen. Die Wissenschaft diskutiert und erforscht in Feldversuchen stark die Gewinnung von Metallen durch das sogenannte Phytomining. Ich wollte diese Besonderheit nutzen, weshalb ich mich mit den Eigenschaften verschiedener Pflanzen beschäftigt habe. Eine konnte durch selbst gebildete Schwimmblasen aufrecht im Wasser stehen und eine andere konnte im Wasser sehr lange Wurzeln bilden. "Ich kreuzte diese, um eine Pflanze zu schaffen, die in der Lage ist, die Metalle aus den Manganknollen an die Oberfläche zu bringen“, erklärt Manz.

Soziale Distanzierung in Kindergärten

Zur aktuell gegenwärtigen Coronavirus-Krise hat sich Luis Sommerfeld ein Spiel speziell für Kinder erdacht. Mit „Octoball“ liegt ein spielerischer Gestaltungsansatz zur sozialen Distanzierung in Kindergärten vor. Gerade im Spiel fällt es den Kleinen schwer, auf Abstand zu achten. „Um Kinder mit den Distanzierungsregeln vertraut zu machen, braucht es eine spielerische Lösung. Spielen ist die natürlichste und effektivste Art, neue Dinge zu lernen“, ist Sommerfeld überzeugt.

 

Octoball ist ein Geschicklichkeitsspiel, bei dem die Kinder gemeinsam einen Ball balancieren. Alle nehmen ein Seil, das auf einer Plattform befestigt ist, auf der der Ball liegt. Das Spielgerät lässt sich als Katapult verwenden. Es gibt zwei Teams mit jeweils maximal vier Kindern. Wenn ein Team das Spielgerät benutzt, um den Ball zu werfen, benutzt das andere Team seinen Korb, um ihn zu fangen. Der Name Octoball leitet sich von einem Oktopus ab, zu dem es aufgrund der acht Seile eine optische Ähnlichkeit gibt.

Kontakt

Prof. Matthias Ries
Produktdesign, Alumnibeauftragter der Fakultät Gestaltung