Erscheinungsdatum: 03.12.2009

<P>Kulturerbe in Regionen mit wechselnden Herrschaftsansprüchen.Die Tagungspublikation des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V. liegt vor</P>

Kaum etwas in Europa ist so jung wie die Grenzen der Nationalstaaten. Die gegenwärtige geopolitische Ordnung des Kontinents verdankt sich großteils dem Neuzuschnitt der Territorien nach dem Ende der beiden Weltkriege. In den alten und neuen Grenzräumen offenbart das Kulturerbe bis heute die früheren territorialen und kulturellen Zugehörigkeiten. Viele Objekte und Orte sind doppeldeutig, doppelsinnig gar, je nach dem, wer von wo schaut und denkt. Die Betrachtung von Denkmalen in Grenzräumen ist also eine besondere methodische und politische Herausforderung. Eben dieser Herausforderung stellte sich der Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V. mit seiner Jahrestagung „Grenzverschiebungen, Kulturraum, Kulturlandschaft – Kulturerbe in Regionen mit wechselnden Herrschaftsansprüchen“, die Anfang Oktober 2008 in Straßburg stattfand.

Unter dem Thema „Grenzverschiebungen“ erscheinen Beiträge über städtebauliche, architektonische und baukulturelle Zeugnisse früherer territorialer und kultureller Zugehörigkeiten in Lothringen, im Elsass, in Südtirol und in Niederschlesien. In allen vier Regionen haben Forschung und Denkmalpflege mit der Frage zu tun, wie das kulturelle Erbe jener „anderen“ Zeiten heutzutage zu deuten und gesellschaftlich in Wert zu setzen ist.

Im Abschnitt „Grenzlandschaften“ wird der Betrachtungswinkel auf großräumliche Zeugnisse erweitert. Es geht um obsolet gewordene strategische Befestigungen und Verbunkerungen aus der Zeit des kalten Krieges wie in Bayern, um Mauern und Barrikaden in geteilten Städten wie Berlin und Belfast, um die polizeilich kontrollierte Migrations-Grenzlandschaft zwischen den USA und Mexiko und um die Industrielandschaft des Erzgebirges im historischen Grenzraum zwischen Sachsen und Böhmen.

Es folgen mehrere „Grenzüberschreitungen“. Es geht um grenzüberschreitende Baupolitiken in Friedens- und in Kriegszeiten: die Heimatschutz-Bewegung im Elsass zur Zeit des deutschen Kaiserreichs, die Stadtplanung und Architektur des Dritten Reiches im militärisch besetzten Elsass und die Französische Baupolitik im Saarland und der Pfalz nach dem ersten und nach dem zweiten Weltkrieg. Der letzte Beitrag dieses Abschnitts handelt von der Erinnerung an eine missglückte Grenzüberschreitung: von Dani Karavans Denkmal für Walter Benjamin, dem es nicht gelang, auf seiner Flucht vor den Nazis die Grenze nach Spanien zu überschreiten, er starb auf dem Weg.

Das letzte Kapitel „Übergriffe ?“ steht für die Aneignung von Erbe, das nicht das eigene ist oder das jedenfalls auch von anderen beansprucht werden kann. Ein deutscher Denkmalpfleger erfindet um 1900 in Straßburg ein Werk Erwins von Steinbach, deutsche Archäologen interpretieren in den 1930er Jahren in Sachsen Funde nach durchaus a-historischen ethnischen Parametern. Der letzte Beitrag in der Publikation berichtet über interaktive Reflexionen und Reflektionen zwischen dem deutschen und dem mexikanischen Kulturraum, also gewissermaßen über eine grenzübergreifende interkulturelle Erbekonstruktion.

Publikationsdaten: Birgit Franz, Gabi Dolff-Bonekämper (Hrsg.): Grenzverschiebungen, Kulturraum, Kulturlandschaft. Kulturerbe in Regionen mit wechselnden Herrschaftsansprüchen. Veröffentlichung des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V., Band 18. ISBN 978-3-940751-17-1. Verlag Mitzkat Holzminden 2009. Umfang 143 Seiten.

Die gesamte Publikationsreihe des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege ist unter www.AK-TLD.de gelistet. Aktuelle Bände sind über den Buchhandel oder bei der Schriftführerin des Arbeitskreises zu beziehen (Prof. Dr.-Ing. Birgit Franz, HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, Fachhochschule Hildesheim, Holzminden, Göttingen, Fakultät Bauwesen, Haarmannplatz 3, 37603 Holzminden, birgit.franz@hawk-hhg.de).

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