Studierende der Fakultät Bauen und Erhalten planen und bauen ein WikiHouse

Publizierungsdatum: 31.07.2017

Ein Haus am Computer planen, dessen Einzelteile von einer CNC-Fräse automatisch fertigen lassen und dann den Bausatz mit einfachen Handgriffen zusammensetzen – das ist das Konzept hinter einem WikiHouse. Sogar den für die Montage unerlässlichen Holzhammer stellt die Computer-gesteuerte Roboterholzfräse her.

Die Computerbauplandaten sind quelloffen, sie sind also kostenfrei und jede oder jeder darf sie frei verwenden, verändern und mit anderen teilen. 18 Studierende der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen aus den Bachelorstudiengängen Architektur, konstruktiver Holzbau sowie Möbelbau und Innenausbau haben das ausprobiert.

 

Dabei herausgekommen ist ein Schnittmodell eines Hauses, das sie jetzt im Foyer des HAWK-Gebäudes am Standort Goschentor in Hildesheim ausstellen. „Das System ist im Grunde einfach. Trotzdem kann man sich mit vielen Aspekten beschäftigen“, findet Projektleiter Prof. Dr. Alfred Breukelman. Er betreute die Entwicklung des Hauses gemeinsam mit den wissenschaftlichen Mitarbeitenden Norbert Linda und Renke Abels. Die Herausforderungen reichten von der Planung und der Optimierung des Systems bis zur Umsetzung des Bauprojekts, erklärt er. „Darum eignet es sich besonders gut dafür, an der Hochschule ausprobiert und weiterentwickelt zu werden.“

Das Wiki-Prinzip aus dem IT-Bereich in der Baubranche

WikiHouse versteht sich als ein Bausystem für die digitale Welt des 21. Jahrhunderts und als das Wikileaks für das Bauen. Durch konsequente Anwendung der digitalen Fertigung, also in diesem Fall durch die Herstellung von Einzelteilen durch CNC-Fräsen auf Basis von kostenlosen Bauplänen, sollen günstige, anpassbare Häuser entstehen. Die Idee dazu entwickelte eine Gruppe junger britischer Architektinnen und Architekten vor zirka fünf Jahren. Seitdem hat sich das Konzept schnell weltweit verbreitet. Alistair Parvin, einer der Mitbegründer von WikiHouse, fand heraus, dass die allermeisten Häuser auf der Welt nicht in „geordneten“ Planungs- und Bauabläufen, sondern in den Metropolen der Entwicklungs- und Schwellenländern, unkontrolliert und mit geringem baulichen Standard entstehen. Er stellte sich darum die Frage, wie Menschen unter diesen Bedingungen sozial gerecht und hygienisch wohnen und leben können. Sein Idee: Menschen auf der ganzen Welt sollen sich mit Hilfe eines Open-Source-Systems selbst ein Haus designen und mit einfachsten Mitteln bauen können.

Jeder darf die Bauelemente des WikiHouse-Systems als digitale Modelle herunterladen, benutzen, weiterentwickeln und mit anderen Nutzerinnen und Nutzern teilen. So entsteht eine weltweite Wiki-House-Community, die das Bausystem immer weiter verbessert und der Gemeinschaft zur Verfügung stellt. Mit einer Software lassen sich die digitalen Modelle bearbeiten und zu einem maßgeschneiderten Haus virtuell zusammensetzen. Alles was man dann noch braucht, ist eine CNC-Fräsmaschine. Aus einfachen Sperrholzplatten schneidet sie die Bauteile aus, die sich am Ende einfach zusammenstecken lassen.

WikiHouse in der HAWK

Auf der Basis des Wikihouse-Systems entwickelten die studentischen Teams verschiedene Entwürfe für kleine Selbstbauhäuser. Diese energieeffizienten und nachhaltigen Häuser lassen sich an unterschiedliche Nutzerwünsche und Klimabedingungen anpassen. Zudem gehen Auf- und Abbau leicht von der Hand. In einer weiteren Phase der Bearbeitung fertigten die Beteiligten einen dieser Entwürfe als Modell zunächst im Maßstab 1:6. Danach bauten sie ein Schnittmodell der Tragstruktur im Maßstab 1:1 mit der Fakultätseigenen 3-Achs-CNC-Fräse.
Nachdem die einzelnen Bauteile gefräst waren, dauerte es nur noch ein paar Stunden, bis der Ausschnitt des Hauses im Foyer fertig zusammengebaut stand. Dort steht er voraussichtlich noch bis September als Demonstrationsprojekt mit dem Titel WikihouseHAWK 1.0.

„Die Koordination war eine Herausforderung“, berichtet Eike Hain, Studierender im Studiengang Holzingenieurwesen mit Vertiefung Möbel und Ausbau. „Alle Teile müssen an der richtigen Stelle sein und jeder sollte etwas zu tun haben.“ Dabei hätten sich die Studierenden der unterschiedlichen Studiengänge sehr gut ergänzt, betont Breukelman. „Natürlich haben sich die Architekten etwas mehr in der Planung und die Holzingenieure mehr in der Ausführung eingebracht. Trotzdem war es eine Teamleistung. Von der Planung bis zur Durchführung waren alle beteiligt.“ Der Entwurf der Studierenden ist nun ebenfalls weltweit abrufbar.

Das Ergebnis sieht ein wenig so aus, als hätte man aus einem Holzhaus einfach eine Scheibe herausgeschnitten. Die Studierenden der Studiengänge Architektur und Holzingenieurwesen, darunter auch vier Austauschstudierende aus Kanada und Spanien, haben in einem Abschnittmodell einen der Entwürfe umgesetzt, in dem sich jeder das WikiHouse-Prinzip anschauen kann. Eine Bar mit Theke und Stühlen wurde ebenfalls mit Hilfe des Stecksystems umgesetzt.

Da sich WikiHouse-Entwürfe mit einfachsten Mitteln umsetzen lassen, gelingt der Bau kleinerer Häuser äußerst kostengünstig. „Das System WikiHouse kann überall dort Anwendung finden, wo Kosten eine große Rolle spielen“, erklärt Breukelman. Aktuelle Beispiele wären zum Beispiel Flüchtlingsunterkünfte oder schnell zu errichtende Häuser in Krisengebieten. Auch Dr. Marc Hudy, Präsident (m. d. W. d. G. b.) und Hauptberuflicher Vizepräsident der HAWK, informierte sich bei den Mitwirkenden zu dem Projekt WikiHouse und zeigte sich überzeugt von dem offenen Konzept: „Ich finde besonders spannend, dass hier Wissen international über das Web geteilt wird. Es ist großartig, dass aus unserer Hochschule so ein Impuls in die Welt hinausgehen kann, um zu globalen Fragestellungen Lösungen beizutragen.“