Nachruf der Fakultät Bauen und Erhalten

Publishing Date: 31.08.2017

Lehrende und Studierende der HAWK trauern um Professorin Dr. Dipl. Rest. Nicole Riedl-Siedow, die am 31. August 2017 im Alter von 46 Jahren verstorben ist. Wir verlieren eine international renommierte und allseits geschätzte Spezialistin der Konservierung und Restaurierung von Wandmalereien und Architekturoberflächen und eine liebe Kollegin.    

Nicole Riedl-Siedow, 1971 in Fulda geboren, interessierte sich schon früh für Restaurierung und verfolgte konsequent den Weg einer fundierten akademischen Ausbildung in dieser noch jungen wissenschaftlichen Disziplin.

 

Nach dem Abitur absolvierte sie Praktika in renommierten Restaurierungswerkstätten, als Vorbereitung auf ihr Hochschulstudium der Konservierung und Restaurierung von Kunst- und Kulturgut an der FH Köln, mit einer Spezialisierung auf Wandmalerei und Steinobjekte.

Nach ihrem Diplomabschluss 1998 folgte von 1999 bis 2001 berufsbegleitend ein Aufbaustudium der Denkmalpflege an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg. In den folgenden Jahren arbeitete sie als freiberufliche Restauratorin in einer Vielzahl von nationalen und internationalen Projekten. Gleichzeitig verfasste sie ihre Dissertation zum Thema „Provinzialrömische Wandmalerei in Deutschland. Geschichte, historische Werkstoffe, Technologie, Restaurierungsgeschichte im Kontext der Denkmalpflege“, die sie 2007 mit der Note „summa cum laude“ abschloss.

Diese spezifischen Themen der Kunsttechnologie und Konservierung im Kontext archäologischer Forschungen und die hierfür eingesetzten Untersuchungs- und Dokumentationsmethoden führten zu bemerkenswert innovativen Ergebnissen; Nicole Riedl-Siedows Dissertation erlangte große Resonanz in Fachkreisen. Seit Beginn ihres Berufslebens, mit ihren Studien und Forschungen, entwickelte sie diese restauratorischen Fragestellungen und Untersuchungsmethoden konsequent fort und blieb dabei der Archäologie eng verbunden.

Als Beispiele seien hier  die modellhafte Konservierung und Restaurierung der umweltgeschädigten römischen Grabanlage in Nehren an der Mosel genannt (ab 2003, ein von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördertes Projekt) sowie die 2004 begonnenen restauratorischen Forschungen über die römischen Wandmalereien an der Konstantinbasilika in Trier, zu deren Abschluss 2011 unter der Leitung von Nicole Riedl-Siedow eine viel beachtete internationale Fachtagung in Trier stattfand: Unter dem Titel „Wandmalerei in freier Bewitterung als konservatorische Herausforderung“ wurden neben der Konstantinbasilika auch weitere Beispiele diskutiert und die Ergebnisse in einer Publikation in der Reihe der ICOMOS Hefte des Deutschen Nationalkomitees und der Schriftenreihe des Hornemann Instituts 2012 vorgelegt.

2011 war Nicole Riedl-Siedow auch an einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojekt der TU München zu „Vitruv und die Techniken des Raumdekors“ beteiligt und führte dabei restaurierungswissenschaftliche Untersuchungen an römischen Wandmalereien in Pompeji durch. Bei den Forschungen von Nicole Riedl-Siedow gebührte den Wandmalereien der römischen Antike – südlich wie nördlich der Alpen – somit ein besonderer Stellenwert.

Nicole Riedl-Siedow war es ein wichtiges Anliegen, ihr Wissen und ihre Arbeitsmethodik an Studierende weiterzugeben. Ab 2002 führte sie Seminarveranstaltungen zur Restaurierung an der FH Köln durch, ab 2008 auch an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Im Herbst 2009 erhielt sie den Ruf an die HAWK in Hildesheim, als Professorin für „Konservierung und Restaurierung von Wandmalerei und Architekturoberfläche“.

Nicole Riedl-Siedow erkannte die regionalen und internationalen Möglichkeiten, die Hildesheim für die Lehre und die Forschung bietet. In Zusammenarbeit mit dem Roemer-Pelizaeus-Museum (RPM) sowie mit der kirchlichen, städtischen und staatlichen Denkmalpflege in Niedersachsen entstanden zahlreiche Projektarbeiten und Forschungsprojekte, an denen immer Studierende der HAWK beteiligt waren.

Besonders erwähnenswert ist hier das im Oktober 2012 gestartete und bis heute kontinuierlich fortgeführte Projekt der Summer-and-Field-School in der Petosiris-Nekropole von Tuna el-Gebel und in den Restaurierungswerkstätten der HAWK, eine Kooperation mit der Universität Minia in Ägypten, dem Hildesheimer RPM und dem Landesmuseum Hannover (NLMH), die vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und der VW-Stiftung getragen wird. Minia ist eine wichtige Partner-Stadt Hildesheims, von diesem laufenden Forschungsprojekt profitieren alle beteiligten Institutionen und insbesondere die Studierenden aus Ägypten und aus Hildesheim. Sie können die erlernten Untersuchungs- und Konservierungsmethoden in der griechisch-römischen Nekropole Tuna el-Gebel und an provinzialrömischen Wandmalereifragmenten aus Trier, die sich in den Hildesheimer Restaurierungswerkstätten befinden, in die Praxis umsetzen. Zudem werden sie vertraut mit den Herausforderungen internationaler und interkultureller Kommunikation und Zusammenarbeit, eine unverichtbare Qualifikation in unserer heutigen Arbeitswelt.

Im Geiste dieser interkulturellen Kommunikation, war Nicole Riedl-Siedow auch Vorsitzende des Vereins Echnaton Museum Minia e. V., zu dessen Zielen die Förderung des kulturellen Gedankenaustausches zwischen Ägypten und Deutschland gehören. Ohne Nicole Riedl-Siedow wird es schwierig sein, diese wichtigen Kooperationsprojekte seitens der HAWK fortzuführen – aber in ihrem Sinne wollen wir es versuchen.  

Neben der internationalen Projektarbeit war Nicole Riedl-Siedow auch die regionale Kooperation mit der Denkmalpflege und den Museen sehr wichtig. Zusammen mit den Bauforschern des Bistums Hildesheim, im Zuge der jüngsten Sanierungsarbeiten im Hildesheimer Dom, war sie z. B. an der Erforschung der mittelalterlichen Bauphasen des Domes beteiligt. Mit akribischen restaurierungswissenschaftlichen Untersuchungen von Setzmörteln und Putzschichten konnte sie wichtige Erkenntnisse zur theoretischen Rekonstruktion dieser Bauphasen beitragen.

Als Beispiel für die intensive Kooperation mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege sei ein von der DBU gefördertes Forschungsprojekt zur Schieferkonsolidierung genannt. Dieses Projekt wurde von Nicole Riedl-Siedow mitbetreut, in ihrer 2012 übernommenen Funktion als kommissarischer Leiterin der Studienrichtung Konservierung und Restaurierung von Objekten aus Stein und Keramik. Im Rahmen einer interdisziplinären Arbeitsgruppe war sie mit dem für Stein und Keramik zuständigen Werkstattleiter Gerhard D’ham und mit Studierenden der HAWK aktiv beteiligt. Ausgehend vom denkmalpflegerischen Wunsch, die historischen Wandbehänge aus Schiefer in der Goslarer Altstadt trotz ihrer Schädigungen zu erhalten und nicht - wie traditionell üblich - auszutauschen, wurden u. a. in Lehrveranstaltungen und Abschlussarbeiten Konservierungsmittel und Tränkungsverfahren auf ihre Eignung für die Schieferkonsolidierung untersucht.

Zur Tätigkeit einer Professorin gehören nicht nur Lehre und Forschung, sondern auch die Selbstverwaltung – ein äußerst wichtiger, wenn auch wenig öffentlichkeitswirksamer Bereich. Nicole Riedl-Siedow war vier Jahre mit großem Engagement als Studiendekanin der Studiengänge der Konservierung und Restaurierung tätig und hat die Reakkreditierung dieser Studiengänge maßgeblich mitgestaltet.

Nicole Riedl-Siedow war auch Mitglied internationaler Fachorganisationen, so im internationalen Museumsrat ICOM und im internationalen Rat für Denkmalpflege ICOMOS. Im Deutschen Nationalkomitee von ICOMOS war sie tätig in der Monitoring-Gruppe und im National Scientific Committee „Konservierung und Restaurierung von Wandmalereien und Architekturoberflächen“.

Mit ihrer Fachkompetenz und ihrem großen persönlichen Engagement, mit dem überzeugenden methodischen Vorgehen und den breit gefächerten Zielsetzungen ihrer restaurierungswissenschaftlichen Forschungen, war Nicole Riedl-Siedow eine wichtige junge Repräsentantin der Restaurierungswissenschaft. Ihr Auftreten im beruflichen Alltag war nicht nur durch ihr breit gefächertes Wissen und ihre professionelle Tüchtigkeit geprägt, sondern auch durch ihr stets freundliches und vermittelndes Wesen. Ihre Begeisterung für die Anliegen der wissenschaftlichen Restaurierung verband sie mit einer großen Wertschätzung des fachlichen Austausches und der Diskussion, in die Studierende genauso einbezogen waren wie die Kolleginnen und Kollegen.

Es ist sehr traurig und ein großer Verlust für unsere Hochschule, dass unsere Kollegin mitten aus diesem so aktiven Leben herausgerissen wurde. Unser Mitgefühl gilt ihrer Familie, insbesondere ihrem Mann Markus Siedow und ihrer kleinen Tochter Niobe.

Fakultät Bauen und Erhalten, Studiengänge der Konservierung und Restaurierung