Erscheinungsdatum: 13.10.2005

Dr. Christoph Kolbeck hat seine Antrittsvorlesung gehalten / Spende von Arwed Löseke kommt jetzt Hildesheimer Betrieben zugute

Dr. Christoph Kolbeck hat seine Antrittsvorlesung gehalten / Spende von Arwed Löseke kommt jetzt Hildesheimer Betrieben zugute

Betriebe aus der Region Hildesheim und damit die Region selbst können jetzt von einer Stiftung der Hildesheimer Arwed Löseke Papierverarbeitung und Druckerei GmbH profitieren: Dank der großzügigen Spende konnte die HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen eine Stiftungsprofessur für Familienunternehmen einrichten. Dr. Christoph Kolbeck, den eine Expertenkommission im akademischen Jahr 2005/2006 für die Stiftungsprofessur gewinnen konnte, hat jetzt im feierlichen Rahmen seine Antrittsvorlesung zum Thema „Erfolgsfaktoren von Familienunternehmen“ an der HAWK gehalten. Wie Familienunternehmen im Haifischbecken der ganz Großen erfolgreich ihren Platz verteidigen und ihre ganz spezifischen Stärken nutzen, wie sie sich der fortschreitenden Entpersonalisierung wirtschaftlicher Prozesse widersetzen, wie sie sich im Dickicht von Gesetzen, Steuerregelungen und Kreditbedingungen zurecht finden können - darum geht es ab diesem Wintersemester an der HAWK.

Die Festrede von HAWK-Präsident Prof. Dr. Martin Thren im Wortlaut:

Sehr verehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie ganz herzlich an der HAWK, in diesem Hörsaal und zu dieser Vorlesung. Dass es keine gewöhnliche Vorlesung ist, konnten Sie Ihrer Einladung und der heutigen Pressemitteilung entnehmen. Sie erkennen es auch unschwer am Blumenschmuck und an der Tatsache, dass zuerst nicht der Professor, sondern der Präsident dieser Hochschule zu Ihnen spricht.

Heute handelt es sich um die Antrittsvorlesung eines Gastprofessors, ein neuer Hochschullehrer wird in unsere Reihen aufgenommen. Das wird in Zeiten staatlicher Finanznot zur Seltenheit.
Dieser Professor, seine Aufgabe und sein Lehrgebiet sind etwas ganz Besonderes für die HAWK. Eine Stiftungsprofessur für Familienunternehmen setzt auf regionale Vernetzung. Dass diese Stiftungsprofessur eingerichtet werden kann, verdanken wir einem erfolgreichen mittelständischen Hildesheimer Unternehmen, dem Familienunternehmen Löseke.
Und ich möchte an dieser Stelle sehr herzlich in unseren Reihen Herrn Arwed Löseke und seiner Tochter, Frau Ariane Löseke begrüßen, welche den Mut und das Vertrauen haben, in Zeiten, die auch für mittelständische Unternehmen hart sind, in unsere Hochschule zu investieren.
Sehr verehrte Frau Löseke, sehr geehrter Herr Löseke, ich versichere Ihnen, dass Ihr ideelles und finanzielles Engagement Hildesheimer Unternehmen und der Hildesheimer Region zu Gute kommen wird. Wir werden in diesem Prozess ständig den Dialog mit Ihnen führen, um das Unternehmen „Stiftungsprofessur“ zu optimieren und zum modellhaften Erfolg zu führen.

Private Stiftungen wollen und dürfen den Staat nicht aus seiner Verantwortung für die Hochschulen entlassen. Sie dürfen nicht zu finanziellen „Löcherstopfern“ werden. Aber private Stiftungen – und die Ihre, Herr Löseke, sind das beste Beispiel dafür – bereichern Hochschulen und deren Wirkungsbereich in Aus- und Fortbildung auf ganz hervorragende Weise. Das Stiftungsvermögen der Familie Löseke trägt wesentlich dazu bei, Wissenschaft in der Wirtschaft zu verankern und umgekehrt. Nicht nur in Zeiten ökonomischer Talsohlen ein Muss.
Noch etwas ist besonders an dieser heutigen Veranstaltung: Das sind Sie, verehrte Gäste, Studierende und Kolleginnen sowie Kollegen. Heute sitzen in diesem Hörsaal Unternehmerinnen und Unternehmer und Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, unserer Region, neben Studierenden, neben Lehrenden. Und genau diese Mischung darf nicht einmalig bleiben, sie ist Bestandteil und somit Programm der Stiftungsprofessur. Sie soll in die Region strahlen, Unternehmen dienen, Austausch zwischen Praxis und Hochschule bringen und die Studierenden startklar für ihren beruflichen Einsatz und den Wettbewerb machen.
Wie Sie wissen, ist unsere Hochschule in Mittel- und Südniedersachsen auf drei Standorte verteilt. Es gibt inzwischen die Verbindung zur Metropolregion Hannover/ Braunschweig/ Göttingen und zur SüdniedersachsenStiftung im Raum Göttingen, Eichsfeld und Harz.
Auch dort werden erfolgreiche Aktivitäten zur Wirtschaft initiiert - über unsere Fakultäten Naturwissenschaften und Technik und Ressourcenmanagement zu Unternehmen der Region und das gemeinsam mit der SüdniedersachsenStiftung, für die ich stellvertretend für alle, die ich heute nicht persönlich begrüßen kann, den Vorstandsvorsitzenden und Stifter, Herrn Sparkassendirektor Wüstefeld aus Duderstadt, begrüßen darf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da es heute um das Thema Wirtschaft und Wissenschaft geht, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um ein wichtiges aktuelles Thema anzuschneiden. Wie Ihnen bekannt ist, haben gestern alle Präsidentinnen und Präsidenten der niedersächsischen Hochschulen den so genannten Zukunftsvertrag mit dem Ministerpräsidenten, dem Finanzminister und dem Wissenschaftsminister unterzeichnet. Dieser Unterzeichnung sind kontroverse Diskussionen vorhergegangen und sie war bis zum letzten Moment offen. Dennoch haben sich gestern die Hochschulvertreterinnen und -vertreter einmütig dazu entschlossen, diesen Vertrag mit der Regierung zu unterzeichnen.
Der so genannte Zukunftsvertrag enthält für die Hochschulen drei wichtige Komponenten:
1.Planungssicherheit für die nächsten fünf Jahre
2.Die Möglichkeit zur Einführung von Studienbeiträgen und
3.Die Einführung einer neuen Formel für die leistungsorientierte formelbezogene Mittelzuweisung
Alle drei Komponenten sind für die Entwicklung und die Zukunft unserer Hochschulen wichtig.
Nach den Wechselbädern der letzten Jahre durch das Hochschuloptimierungskonzept der Landesregierung mit seinen Umstrukturierungs- und Sparauflagen, welche noch nicht abgearbeitet sind, besteht hohe Dringlichkeit für die Hochschulen, sich unter normalisierten Rahmenbedingungen, das heißt, in Planungssicherheit, weiterzuentwickeln zu können. Denn wir befinden uns in einer Situation, welche selbst für Privatunternehmen zu einem schwierigen Unterfangen würden: Innovation durch Umstellung auf Bachelor- Master- Studiengänge im Rahmen des europaweiten Bologna- Prozesses und zeitgleich Reduzierung der Erträge aus dem Landeshaushalt. Das sind nicht nur die formale, sondern auch die inhaltliche Umstellung und dann die erfolgreiche Umsetzung der Reform im Studienalltag.
Wenn ein Unternehmen in innovative Produkte oder Dienstleistungen investiert, dann muss es bekanntlich hierfür zusätzliches Geld in die Hand nehmen, welches entweder aus eigenem Gewinn stammt oder aus externen Mitteln. Diese Möglichkeiten sind Landeshochschulen in ihrer Abhängigkeit von den Haushaltsmitteln aus dem Landesetat grundsätzlich nicht gegeben, es sei denn, dass ein Unternehmen wie Familie Löseke in neue Branchen unserer Hochschule investiert.
Auch wenn der so genannte Zukunftsvertrag unserer Hochschule Planungssicherheit gibt, stehen wir vor einer real progressiv reduzierten Mittelzuweisung: Ab dem Haushaltsjahr 2005 stehen uns jedes Jahr real 900.000 € weniger Landesmittel durch das so genannte Hochschuloptimierungskonzept zur Verfügung, wir tragen Tariferhöhungen bis zu 0,8% Tarifsteigerung pro Vertrag aus dem eigenen Haushalt, wir tragen die möglichen Kostensteigerungen durch Inflation aus eigener Tasche. Und selbst dann, wenn die Mittelzuweisungen durch das Land durch diese zusätzlichen Aufwendungen nicht geschmälert würden, führt die Umstellung auf das Bachelor-/ Master- Konzept zu weniger Anfänger-Studienplätzen und damit zu einer Verringerung der Aufnahme-Kapazität unserer Hochschule für die Erstsemester.
Mittelfristig gesehen ist damit das so genannte Hochschuloptimierungskonzept der Landesregierung in Verbindung mit dem so genannten Zukunftsvertrag u. a. ein Programm, welches unsere Aufnahmekapazität verringern wird und wir hoffen nur, dass die Notwendigkeit, mehr Studienplätze für steigende Abiturientenzahlen anzubieten, vom Land doch noch erkannt wird und eine erforderliche Gegensteuerung rechtzeitig erfolgen wird. Hier geht es vor allem um steigende Abiturientenzahlen und im Besonderen um den durch die Schulreform zu erwartenden Doppelabiturientenabgang in 2011.
Diese jungen Menschen haben Anspruch auf Studienplätze, sie sind in einer zunehmend überalternden Gesellschaft die Leistungs- und Finanzierungsträger unserer Zukunft!
Auch hoffen wir, dass das Land diese Erfordernisse nutzen wird, um künftig die für die Fachhochschulen so wichtigen Fachhochschulentwicklungsprogramme wieder aufleben zu lassen.

Die Einführung von Studiengebühren beziehungsweise Studienbeiträgen wird ermöglicht durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im vergangenen Jahr. Sie ist ebenfalls kontrovers diskutiert worden. Tatsache ist, dass bei der derzeitigen Finanzknappheit des Landes und der Unterfinanzierung der Hochschulen die Studienbeiträge dringend für die Sicherstellung der Qualität der Lehre und somit für die Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen benötigt werden.
Der Zukunftsvertrag regelt die grundsätzliche Einführung der Studienbeiträge für die niedersächsischen Hochschulen, nicht dagegen die Modalitäten deren Einwerbung und Verwendung. Diese Modalitäten werden definiert und als Rechtsnorm etabliert durch ein Haushaltsbegleitgesetz, welches im Dezember dieses Jahres verabschiedet werden soll. Die Landeshochschulkonferenz hat der Landesregierung mit Nachdruck verdeutlicht, dass sie an der Ausarbeitung der „Spielregeln“ für die Studiengebühren mitwirken wird. Denn es gilt, die zuvor zwischen Landeshochschulkonferenz und Ministerium etablierten Vereinbarungen einzuhalten: Die Studienbeiträge sollen den Hochschulen uneingeschränkt zur Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen für die Studierenden zur Verfügung stehen. Ein durch die Hochschulen zu tragender Ausfallfonds für Studienabbrecher von 6% war in den ursprünglichen Vereinbarungen nicht vereinbart und alle Hochschulleitungen waren irritiert, über diesen Sachverhalt sowie einheitliche Studiengebühren am vergangenen Freitag durch die Presse informiert worden zu sein.
Gleichfalls steht noch aus ein Gesamtkonzept bzw. Modell für die Sozialverträglichkeit der Studiengebühren. Kreditmodelle einer Bank, wie sie derzeit das Land vorschlägt, sind nur ein Segment der Sozialverträglichkeit, welche die Hochschulleitungen den Studierenden immer wieder zugesichert haben. Darüber hinaus müssen den Hochschulen Freiräume eingerichtet werden, eigene Modelle zur Sozialverträglichkeit im Rahmen der Selbstverwaltung der Mittel zu schaffen. In der nächsten Sitzung unseres Senats wird eine Arbeitsgruppe gewählt werden, welche Modalitäten zur Verwendung der Studiengebühren erarbeiten soll.

Letztendlich ermöglicht der Zukunftsvertrag die Einführung einer leistungsbezogenen Finanzierungsformel, welche bei einem „gedeckelten Finanztopf„ für alle Hochschulen eine in einem definierten Finanzierungsrahmen leistungsorientierte Umschichtung von Mitteln zwischen Hochschulen ermöglichen wird. Eingangsgrößen sind Studierendenzahlen bei Studienanfängern und Studienabsolventen, Drittmittelforschung und Gleichstellung.
Es ist gut und fördert den gesunden Wettbewerb zwischen Hochschulen, wenn das Land Steuerungsmechanismen etabliert, welche die Mittel dort hin lenken, wo nachgefragte Studienplätze angeboten werden, Studierende in angemessener Zeit zu einem berufsqualifizierenden Abschluss geführt werden und erfolgreich eingeworbene Drittmittel für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zu Gunsten der Region eingesetzt werden. Unsere Hochschule gehörte bei der alten Formel zu den Formelgewinnern und wird – nach ersten Modellrechnungen – auch bei der neuen Formel künftig Formelgewinnerin sein.

Nach diesem erforderlichen Exkurs zur aktuellen Hochschulpolitik in Niedersachsen komme ich zur eigentlichen Tagesordnung und begrüße Herrn Dr. Christoph Kolbeck, der von einer Expertenkommission zum Stiftungsprofessor für Familienunternehmen an der HAWK berufen wurde.

Herzlich willkommen, Herr Kolbeck!

Ihr Konzept werden Sie gleich selbst vorstellen. Dazu jetzt nur soviel: Die Stiftungsprofessur Familienunternehmen steht auf vier Säulen
1.)Praxisnahe Seminare für Studierende aller Fakultäten
2.)Austausch der Familienunternehmen im Hildesheimer Familienunternehmerkreis
3.)Ein Jungunternehmerprogramm für Hildesheimer Junioren und
4.)Ein Forschungsprojekt „Unternehmen raten Banken – wie Unternehmen sich auf die neuen Eigenkapitalrichtlinien von „Basel II“ vorbereiten können.

Christoph Kolbeck weiß, wovon er spricht und das hat zwei Gründe: zum einen seine beruflich-wissenschaftliche Laufbahn, zum anderen seine Herkunft: Er stammt selbst aus einem Familienunternehmen für Hoch- und Tiefbau in Cloppenburg.

Herr Kolbeck ist 1971 geboren und lebt mit Frau und Kind in der Nähe von Oldenburg. In Oldenburg hat er auch Wirtschaftswissenschaften studiert und promovierte 1996 mit 28 Jahren zum Thema „Zukunftsperspektiven des Beratungsmarktes“ - im Zuge seiner Tätigkeit bei der Organisationsberatung „OSB international AG“ in Wien.

Abschlussnote: Summa cum laude. 1999 baute Herr Kolbeck das erste Institut für Familienunternehmen im deutschsprachigen Raum an der Privaten Universität Witten/Herdecke auf. Seit 2001 ist er Geschäftsführender Gesellschafter der „Consulting Research“ (Core).

Zudem führte er zahlreiche Praxisprojekte mit Familienunternehmern zu den Themen Strategie, Finanzierung und Nachfolge durch - unter anderem mit Merck, Bertelsmann oder Brose.

In der Forschung hat Herr Kolbeck einige Studien zum Thema Familienunternehmen und „Basel II“ erstellt und das Buch „Finanzierung für den Mittelstand“ sowie zahlreiche Artikel in diesem Feld geschrieben.

Füllen Sie diese Professur mit Leben, knüpfen Sie Kontakte, vernetzen Sie Hochschule und Praxis! Alles Gute!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(v.l.n.r.) Die Stifter Arwed Löseke und seine Tochter Ariane Löseke, Stiftungsprofessor Dr (v.l.n.r.) Die Stifter Arwed Löseke und seine Tochter Ariane Löseke, Stiftungsprofessor Dr