Fakultät Gestaltung zeigt komplexe Restaurierung

Erscheinungsdatum: 01.08.2018

Rund 80 gut gelaunte Besuchende haben bei hochsommerlichem Wetter die Eröffnung der Ausstellung „Das Tobsdorfer Chorgestühl und seine Restaurierung – Siebenbürgische Chorgestühle des Meisters Johannes Reychmut aus Schäßburg“ am Campus Weinberg besucht.

Die Veranstaltung dokumentiert die komplizierte Restaurierung eines rumänischen Chorgestühls aus dem Jahr 1537. Auf 20 bedruckten Tafeln mit zahlreichen erklärenden Fotos und leicht lesbaren Texten präsentiert die Ausstellung die vielfältigen Forschungsergebnisse.  Neben Prominenz aus Siebenbürgen besuchten Wolfram Bangen aus Detmold und Prof. Dr. Angelika Rauch von der FH-Potsdam für die Fachgruppe Möbel des Berufsverbandes der Restauratoren (VDR) die Eröffnung.

 

Durch die Veranstaltung führten Prof. Dr. Maierbacher-Legl von der Studienrichtung Restaurierung von Möbeln und Holzobjekten sowie Prof. Dr. Michael von der Goltz, der Studiendekan für den Bereich Konservierung und Restaurierung an der Fakultät Bauen und Erhalten. Die Ausstellung ist noch bis zum 2. August von 09:00 bis 17:00 Uhr zu sehen und wird anlässlich des „Internationalen Tags der Restaurierung“ am 14. Oktober noch einmal für vier Tage im Ausstellungsfoyer gezeigt werden. Das Chorgestühl selbst steht in der Restaurierungswerkstatt für Möbel und Holzobjekte in Haus D zur Besichtigung bereit.

Prof. Dr. von der Goltz sprach das Grußwort und hob die internationale Ausrichtung der Restauratorenausbildung in Hildesheim hervor, die sich in den 30 Jahren ihres Bestehens in einer Vielzahl von Projekten mit ausländischen Partnerhochschulen auf dem Feld der Kunst- und Kulturguterhaltung manifestierte. Kontinuierliche Projektarbeit stellt eine tragende Säule im Studium der Restaurierung dar. Die Praxis an historischen Objekten dominiert das gesamte Studienprogroramm und ist durch nichts zu ersetzen.

In ihrer Einführung zur Ausstellung verwies Projektleiterin Prof. Dr. Maierbacher-Legl auf die Vorgeschichte und erläuterte den Gästen, wie es dazu kam, dass sich die Studienrichtung Möbel und Holzobjekte auf die Restaurierung des Tobsdorfer Chorgestühls einließ, ein Langzeitunternehmen, „das es in sich hatte“. Ein Vorläuferprojekt, die „Erfassung, Erschließung und Erhaltung der Truhen von Henndorf“, begründete die langjährige Siebenbürgen-Beziehung der Studienrichtung. Im Rahmen der damit verbundenen Studienreisen und Konservierungskampagnen nach Rumänien fand dabei eine Gruppe der HAWK im Jahr 2009 das Tobsdorfer Chorgestühl in mehrere Dutzend Einzelteile zerlegt auf und nahm es als Leihgabe und Studienobjekt mit nach Hildesheim.

Acht Jahre der Untersuchung und Restaurierung folgten. Alle Studierenden hatten während dieser Zeit in unterschiedlichen Stadien ihres Curriculums in der einen oder anderen Form mit den Einzelteilen des Gestühls zu tun. Im November 2017 kam es zur ersten Aufrichtung. Sie wurde im Rahmen eines „Richtfestes“ entsprechend gefeiert!

Dieses singuläre Projekt im Rahmen einer Ausstellung mit der Öffentlichkeit zu teilen, ist nun der geeignete Abschluss und quasi die Verabschiedung des Tobsdorfer Chorgestühls vom Campus der HAWK in Hildesheim.

Thematisch gliedert sich die Präsentation am Campus in Kontext und Restaurierung. Der erste Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf den intarsierten und beschnitzten Chorgestühlen von Johannes Reychmut, der mit einer spektakulären, wortreichen Signatur am Gestühl der Bogeschdorfer Kirche aus der Anonymität der Geschichte heraustrat. Das überlieferte Werk dieses Meisters wird hier zum ersten Mal zusammenhängend dokumentiert. Die zweite Sequenz vermittelt die innovativen Methoden der Restaurierung des Tobsdorfer Gestühls. Ergänzend dazu zeigt die Ausstellung die Rekonstruktionen einzelner Bauteile, ihrer bildhauerischen und fasstechnischen Dekoration sowie die Herstellung komplizierter Intarsienmuster. Geeignetes Ausstellungsmaterial können Besuchende an Hands-on-Stationen haptisch erfahren. Sie können sich etwa auf eine originalgetreu nachgebaute Stalle (Sitzabteil) setzen und ein authentisches „Chorgestühl-Feeling“ entwickeln. Um die Anschaulichkeit noch zu erweitern, laufen didaktische Kurzfilme an der großformatigen Videowand.  

Über 70 Studierende der letzten sieben Jahrgänge haben mit ihrer Motivation und anhaltenden Begeisterung die Durchführung der Untersuchung, Erforschung und Restaurierung des Gestühls erst ermöglicht. Elf Studierende haben spezielle Fragestellungen zum Chorgestühl in ihren Bachelor- und Master-Thesen wissenschaftlich bearbeitet, dabei ungezählte Studienleistungen erbracht und all das in Wort und Bild festgehalten. Mehrere Tausend Dokumentationsfotos halten alle Schritte der ganzheitlichen Herangehensweise fest.

23 Professorinnen und Professoren, Lehrbeauftragte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben ihre Expertise eingebracht und bereitwillig sowie höchst kreativ großartige Teamarbeit geleistet. Besonders die Leistungen der Master-Absolventinnen Susanne Karius und Christine Fiedler, mittlerweile Co-Werkstattleiterinnen und Lehrbeauftragte, hat Prof. Dr. Maierbacher-Legl in der Einführungsrede herausgestellt. Sie haben diese Ausstellung initiiert, konzipiert, durchgesetzt und hoch ambitioniert umgesetzt, konstatiert Prof. Dr. Maierbacher-Legl. Der Sprachstil, den sie als Autorinnen gewählt haben, ist jugendlich frisch und spricht dabei nicht nur ihre Altersgruppe an. Ebenso pfiffig ist das Layout, das Christine Fiedler entworfen hat. Mit großer Hilfsbereitschaft haben die Studierenden Kaja Schönfelder, Stefan Michels, Sophie Just und Josefin Tönjes sie gerade in der heißen Phase unterstützt. Die Lenkungsrolle im Ausstellungsteam kam Dr. Ralf Buchholz zu, bei dem als hauptamtlichem Werkstattleiter die Fäden zusammenliefen.

Nach Worten des Dankes an alle Beteiligten und Förderer des Projekts moderierte Dr. Buchholz den vielversprechenden Programmpunkt der „Highlights“: Vier Kurzfilme zeigen besondere Arbeitsphasen der Auseinandersetzung mit dem Chorgestühl, darunter die Standkantenergänzung der Gestühlswangen mittels 3D-Laser-Scan und CNC-Fräse, hergestellt durch das Prototyping- Labor und das Labor für Holzbearbeitung (LHB) der Hochschule. Weiter ging es um die experimentelle, didaktisch aufbereitete Rekonstruktion eines vielteiligen Blockintarsienmotivs, die digitale Ergänzung von fehlenden Intarsientafeln mit modernsten Druckverfahren direkt auf Holz sowie den Aufbau der Konstruktion des Dreisitzes.

Nachdem sich die Gäste am Buffet der Studierenden mit schmackhaften Balkangerichten gestärkt hatten, öffnete die Ausstellung in Haus E. Bei kühlen Getränken und anregenden Gesprächen über die Situation des Kunst- und Kulturguts in Siebenbürgen im Allgemeinen und die Restaurierung des Tobsdorfer Gestühls im Besonderen, klang die Veranstaltung in den frühen Abendstunden aus.

Anfang November diesen Jahres wird die Ausstellung das fertig restaurierte Chorgestühl zurück nach Siebenbürgen begleiten, wo dieses im Kirchenkastell von Mediasch auf Dauer seine Aufstellung finden wird. Die Wanderausstellung mit dem Großformatdruck des Dreisitzes wird noch auf weiteren Stationen in Rumänien und Deutschland gezeigt werden.