Erscheinungsdatum: 08.11.2004

Anne Vogt hat in ihrer Diplomarbeit Touristenunterkünfte für eine Dörfergemeinschaft in den Bergen der Sierre Norte entwickelt

Anne Vogt hat in ihrer Diplomarbeit Touristenunterkünfte für eine Dörfergemeinschaft in den Bergen der Sierre Norte entwickelt

Wenn sich Leidenschaft und Zielstrebigkeit in einer Person wie der der angehenden Architektin Anne Vogt vereinen, dann kann aus Träumen Wirklichkeit werden. Vor einem Jahr ist die 24-Jährige allein in die Berge von Mexiko gereist, um ein Projekt für ihre Diplomarbeit zu finden. Anfang 2005 wird sie es mit Hilfe ihrer Dozentin Dr. Maria Torres und 13 Kommilitonen aus Hildesheim in Mexiko realisieren und damit Menschen Hilfe zur Selbsthilfe geben. Es geht um das „Volk der Wolken“. So wurden die Zapoteken in der Sierra Norte im heutigen mexikanischen Bundesstaat Oaxaca genannt, deren Nachfahren mit einfachen Mitteln jetzt ein erfolgreiches Tourismusprojekt aufgebaut haben. Anne Vogt hat in ihrer Diplomarbeit eine Gästeunterkunft, ein Informationszentrum und ein vorkoloniales Dampfbad namens Temazcal entworfen. Konstruktion, Baumaterialien und räumliche Konzeption sind sowohl auf die finanziellen Möglichkeiten der Einheimischen als auch die klimatischen Bedingungen ausgerichtet. Aktueller architektonischer Sachverstand aber bringt das Tüpfelchen auf dem i, nämlich die Kombination von Machbarkeit und Modernität.

Gleich mehrere Institutionen und Partner sind an dem Vorhaben beteiligt: Die Hildesheimer Fakultät Bauwesen der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen, wo Anne Vogt studierte und das Projekt mit Hilfe von Dozentin Dr.-Ing. Maria Torres und Professor Peter Döscher im Rahmen des Studienschwerpunktes Bauen International in Angriff genommen hat, die mexikanische Universidad Regional de Sureste in Oaxaca, Kooperationspartner der HAWK in Mexiko, die Stiftung Fundación Comunitaria de Oaxaca und die lokalen Dorfbewohner der Dörfergemeinschaft.

In die Ferne hat es Anne Vogt schon früh gezogen. 1999 hat sie ihr Architekturstudium in Hildesheim begonnen und den Studienschwerpunkt Bauen International gewählt. Während ihres Praxissemesters arbeitete sie in einem bekannten Architektenbüro in der venezolanischen Hauptstadt Caracas. Für die Diplomarbeit hatte Dozentin Dr.-Ing. Maria Torres das Nachhaltige Tourismusprojekt „Expediciones Sierra Norte“ der Pueblos Mancomunados vorgeschlagen, von dem sei bei einem Heimatbesuch in Mexiko gehört hatte.

Die Pueblos Mancomunados sind eine Gemeinschaft von acht Dörfern mit etwa 3000 Bewohnern, die genossenschaftlich ein Gebiet von rund 29.000 Hektar in den Bergen der Sierra Norte auf einer Höhe von 2000 bis 3000 Metern über dem Meeresspiegel nutzen. Nachdem die Wälder in diesem Gebiet in den Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts von einer spanischen Firma völlig ausgebeutet worden waren, hat die Dörfergemeinschaft einen Schlussstrich gezogen und die Bewirtschaftung selbst in die Hand genommen. Unterdessen gibt es eine Nachhaltige Forstwirtschaft, ein eigenes Sägewerk und das Tourismusprojekt. Die Menschen organisieren ihre Arbeit und ihre Gemeinschaft in traditionellen indigenen Strukturen, wozu beispielsweise feste Zeiten für Gemeinwesenarbeiten aller gehören.

Für das Tourismusprojekt hatten sich die Dorfbewohner zwar Architektenhilfe aus der Landeshauptstadt Oaxaca zum Bau von Unterkünften geholt. Die entstandenen Häuser aber waren für das Bergklima nur sehr eingeschränkt geeignet. Trotzdem spricht die Statistik ihre eigene Sprache: 1998 verzeichneten die Dörfer 36 Touristen pro Jahr, im Jahr 2000 waren es schon 593 und 2002 immerhin 2819 Besucher. Das Angebot will nicht auf Luxus und Fünf-Sterne-Komfort hinaus, sondern richtet sich an Natur- und Trecking-Freunde. Inzwischen ist ein rund hundert Kilometer langes Bergwanderwegenetz eingerichtet, geführtes Bergsteigen, Mountainbiking, Reiten oder ein Bad im vorkolonialen Dampfbad Temazcal gehören zum Angebot. Die Unterkünfte sind eher spartanisch. Und daran hat auch Anne Vogt bei ihren Entwürfen nichts geändert. Aber sie hat Feuchtigkeit und Kälte verbannt sowie Gemeinschaftsräume vorgesehen. Das „Volk der Wolken“ nämlich hat seinen Namen vom Wetter. Selbst im Sommer steigt die Temperatur nicht über 21 Grad Celsius und der Nebel ist ein häufiger Gast. Das hatten die Architekten aus der heißen Hauptstadt, die die ersten Unterkünfte geplant hatten, nicht im Blick und verzichteten gänzlich auf Heizmöglichkeiten.

Anne Vogt hat eine neue Kombination der traditionellen Materialien Holz und Lehm in Form von Holzleichtlehm geplant, das kleine Haus aufgeständert und für den Gemeinschaftsraum einen kombinierten Herd und Ofen als Holz-Heizung vorgesehen. Die Technische Universität Berlin hat ganz in der Nähe mehrere Dachziegelwerkstätten für Witwen aufgebaut, in denen neuartige Dachsteine produziert werden, die viele energetische und klimatische Vorteile aufweisen. Diese Ziegel sollen für Anne Vogts Unterkünfte verwendet werden.

Bis vor kurzem war dies alles eine theoretische Diplomarbeit, die zwar mit Sehr gut bewertet wurde, aber in Hildesheim lagerte, während Anne Vogt ihre erste Stelle in einem hannoverschen Architektenbüro antrat. Aber die heute 25-Jährige entschloss sich, ihre Sache zu Ende zu bringen. Dozentin Torres stellte die Entwürfe den Dorfbewohnern bei einem Aufenthalt in Mexiko vor und erntete große Begeisterung. Sie und Anne Vogt trommelten motivierte Studentinnen und Studenten für einen zweimonatigen Arbeits-Workshop in der Sierra Norte zusammen. 13 junge Leute reisen Anfang 2005 nach Mexiko und bauen nach mehrmonatiger Zusammenarbeit mit Studenten der Universität Oaxaca und den Einheimischen zunächst zwei Häuser auf der Basis der Diplomarbeit. Begleitet wird die Gruppe übrigens auch von einem Studenten der Fachhochschule Eberswalde, der Nachhaltigen Tourismus studiert und dort seine Master-Arbeit vorbereiten will.

Einen Großteil der Materialien bezahlen die Dörfer. Für die Reisekosten hat die Gruppe einen Zuschuss beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) beantragt und jeder muss privates Geld beisteuern. Der Förderverein Bauen International sucht auch noch Sponsoren. Zudem sollen die Einnahmen einer öffentlichen Mexiko-Party in der Fachhochschul-Mensa am Donnerstag, 25. November, um 21 Uhr den Workshop ermöglichen.

Damit alle auch praktisch auf dem richtigen Stand sind, ist für Dezember ein Lehmbauseminar mit dem Architekten Heiner Lippe bei Magdeburg geplant. Vor Handarbeit hat keiner Angst und auch nicht vor dem schlichten Leben in den Bergen. Wenn die Gruppe nach zwölf Stunden Flug und mehreren Stunden Busfahrt in Oaxaca ankommt, wird Anne Vogt wieder die Nummer des einzigen Telefons des Hauptdorfes wählen. Dann wird die Telefonistin wie bei der ersten Reise vor die Tür treten und mit einem Megaphon ins Dorf rufen, dass die jungen Deutschen mit den mexikanischen Studenten kommen und die Bewohner sie in Empfang nehmen mögen.

Die Workshop-Teilnehmer (siehe auch Foto):

Sebastian Rommel, Prof. Peter Döscher, Marcel Noeding, Anne Vogt, Ronny Schulze (hintere Reihe v.l.n.r.), Britta Keune, Ulrich Bramm, Klaudia Wildensee, Olliver-Marc Steffen (mittlere Reihe v.l.n.r. ), Frau Dr.-Ing. María Torres, Nadine Pflüger (vordere Reihe v.l.n.r.); nicht mit im Bild: Nicole Maaßen, Mike Ruppelt, Wibke Wittfoot, Christoph Bock v. Wülfingen, Inger Zunk

Weitere Informationen

gibt es unter www.mexiko-workshop.de, info@mexiko-workshop.de,

außerdem spricht am Freitag, 12. November 2004, Axel Huhn von der TU Berlin um 16 Uhr, Raum 110, im Hohnsen 2 in Hildesheim zu dem Thema „Erfahrungsbericht der TU Berlin: Studenten bauen in Mexiko“.

Die Mexiko-Party mit Tapas und Cocktails findet am 25.November um 21 Uhr in der Mensa Hohnsen 2 in Hildesheim statt und auf Sponsoren hofft der

Förderverein Bauen International: Verwendung „Projekt Mexiko“, Stadtsparkasse Hildesheim BLZ 259 500 01, Konto-Nr. 6066.

Lachatao ist eines der acht Dörfer, die gemeinsam das Tourismusprojekt aufgebaut haben Lachatao ist eines der acht Dörfer, die gemeinsam das Tourismusprojekt aufgebaut haben